Politik

Mubarak gibt Macht ab, bleibt aber im Amt Zornige Demonstranten geben nicht auf

Die Demonstranten sind mit der Rede Mubaraks nicht einverstanden.

Die Demonstranten sind mit der Rede Mubaraks nicht einverstanden.

(Foto: dpa)

Ägyptens Präsident Mubarak beugt sich weiter nicht den Massenprotesten und bleibt im Amt. Er übertrage Befugnisse an seinen Vizepräsidenten Suleimann, sagt der Staatschef in einer Fernsehansprache. Die 200.000 Menschen auf dem Kairoer Tahrir-Platz reagieren enttäuscht und wütend - "hau ab, hau ab", rufen sie. US-Präsident Obama erhöht derweil den Druck auf das Regime und fordert schnelle Reformen. Nach dem Freitagsgebet soll es heute erneut einen "Marsch der Millionen" gegen Mubarak geben, die Opposition erwartet bis zu 20 Millionen Demonstranten im ganzen Land. Der Oppositionelle El-Baradei prophezeit: "Ägypten explodiert".

Regimegegner vor dem staatlichen Rundfunkgebäude.

Regimegegner vor dem staatlichen Rundfunkgebäude.

(Foto: AP)

Ägypten stehen entscheidende Stunden bevor. Wie reagiert das Volk auf die Fernsehansprache von Präsident ? Der will nach fast 30-jähriger autoritärer Herrschaft und massiven Protesten Teile der Amtsgeschäfte an seinen Vizepräsidenten abgeben, aber nicht offiziell zurücktreten.

Die Fernsehansprache Mubaraks stachelte den Zorn der Ägypter nur weiter an. Wie der arabische Nachrichtensender Al-Dschasira berichtet, kam es überall im Land zu Protestkundgebungen. Ein Mitglied der oppositionellen und andere Regimegegner äußerten sich enttäuscht: "Die Rede ist frustrierend und missachtet den Willen des Volkes." Ein anderer Demonstrant sagte am Donnerstagabend: "Morgen werden Millionen auf die Straße gehen. Es gibt nur zwei Möglichkeiten: Tod oder Freiheit."

bleibt eine Kernforderung des Volksaufstandes unerfüllt. Auf dem Tahrir-Platz reagierten die Demonstranten enttäuscht. Schuhe wurden als Zeichen der Bestürzung geschwenkt. Die Menschen riefen "Nieder, nieder mit Husni Mubarak" und "Hau ab, hau ab". Bei vielen Demonstranten kamen Befürchtungen wegen Suleiman auf. "Wir wollen Demokratie und eine zivile Regierung", hieß es. Suleiman war lange Jahre Chef des gefürchteten Geheimdienstes. Als Mann der alten Mubarak-Garde gilt er nicht als derjenige Politiker, der den Prozess der Demokratisierung in Ägypten vorantreiben könnte.

Mubarak übergibt Befugnisse an seinen Vize Suleiman (r).

Mubarak übergibt Befugnisse an seinen Vize Suleiman (r).

(Foto: AP)

Auf dem Tahrir-Platz gab es zornige Reaktionen, Tausende Demonstranten zogen nach der Rede zum Gebäude des staatlichen Rundfunkgebäudes, von wo die Rede ausgestrahlt wurde. Friedensnobelpreisträger Mohammed el-Baradei zeigte sich alarmiert. "Ägypten explodiert. Die Armee muss das Land jetzt retten", forderte er via Kurzmitteilungsdienst Twitter. Für heute ruft die Opposition zu einem neuen "Marsch der Millionen" aufgerufen. Sie rechnet mit bis zu 20 Millionen Demonstranten im ganzen Land. Viele ansässige Journalisten sowie Demonstranten rechnen mit gewaltsamen Auseinandersetzungen.

Proteste vor Präsidentenpalast

Tausende weitere Demonstranten versammelten sich vor dem etwa zehn Kilometer entfernten Präsidentenpalast, meldet der US-Sender CNN. Mubarak soll sich dort aufhalten. Noch ist die Lage ruhig – auch weil das ägyptische Militär die beiden Gebäude schützt. Vor der Rede soll das Regime in Kairo die US-Regierung informiert haben, dass der ägyptische Präsident zurücktreten werde. Auch mehrere Medien erhielten entsprechende Informationen von hochrangigen ägyptischen Politikern.

"Der Vizepräsident der Republik hat seine Aufgaben gemäß der Verfassung übernommen", sagte Mubarak in seiner Rede. Zugleich verbat sich der 82-Jährige jede Einmischung aus dem Ausland. "Ich werde niemals auf Vorschriften aus dem Ausland hören", sagte Mubarak. Suleiman versicherte ebenfalls in einer Fernsehansprache, er wolle eine friedliche Übergabe der Macht ermöglichen. "Die Tür für den Dialog ist noch immer offen", sagte er.

Nach Angaben des ägyptischen Botschafters in den USA hat Mubarak alle Macht im Rahmen der Verfassung an Suleiman abgegeben. Suleiman sei jetzt der "De-Facto-Präsident" Ägyptens und damit auch Chef der Streitkräfte, sagte Sameh Shoukry.

Mubarak während seiner Rede.

Mubarak während seiner Rede.

(Foto: AP)

Mubarak sei nur noch "de jure" das Staatsoberhaupt, das heißt, im legalen technischen Sinne, sagte der Botschafter. Auf die Nachfrage, ob das bedeute, dass Mubarak keine Macht mehr habe, antwortete Shoukry: "Das ist gewiss eine Interpretation, die Sie vornehmen können." Der Botschafter berief sich dabei auf Äußerungen von Suleiman selbst. Beobachter rätseln nun über die Absicht hinter der Ansprache Mubaraks.

Der Oppositionelle El-Baradei sagte dem US-Sender CNN, die Ägypter würden "weder Mubarak noch seinen Vizepräsidenten" Omar Suleiman als Staatschef akzeptieren. Suleiman sei "lediglich eine Verlängerung von Mubarak". Beide Politiker seien wie "Zwillinge".

Obama verschärft den Ton

US-Präsident Barack Obama verschärfte nach der Rede die Kritik am Vorgehen der Regierung in Kairo. Die Führung des Landes sei noch nicht ausreichend auf die Forderungen des Volkes eingegangen, erklärte Obama. Es sei bislang nicht erkennbar, dass der Machtübergang "sofort, entscheidend oder ausreichend" begonnen habe. Er rief das ägyptische Regime auf, zügig konkrete Angaben zu machen, welche Veränderungen sie bereits eingeleitet habe. "Die ägyptische Regierung muss einen glaubwürdigen und konkreten Weg zur Demokratie anbieten", sagte Obama. Sie habe die Gelegenheiten dazu bisher verstreichen lassen. Der US-Präsident verlangte ein Ende des Ausnahmezustands und breit angelegte Gespräche zwischen Regierung und Opposition über die Zukunft des Landes.

Kraft sammeln für den nächsten "Marsch der Millionen".

Kraft sammeln für den nächsten "Marsch der Millionen".

(Foto: dpa)

Nach Ansicht der EU ist die Zeit für einen Wandel in Ägypten nun angebrochen. Sie werde den Machthabern dort weiter übermitteln, dass "ein geordneter, aussagekräftiger und dauerhafter demokratischer Übergang" nötig sei, teilte die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton mit. An die Adresse des ägyptischen Volkes gerichtet, fügte Ashton hinzu: "Es liegt an Ihnen zu beurteilen, ob die von Präsident Mubarak angekündigten Schritte Ihre Erwartungen und Ansprüche erfüllen." Die EU werde die Antwort des ägyptischen Volkes in den kommenden Stunden und Tagen genau beobachten.

Außenminister Guido Westerwelle äußerte sich enttäuscht über die Rede Mubaraks. "Diese Rede hat keine neuen Perspektiven aufgezeigt. Sie war nicht der erhoffte Schritt nach vorn", sagte Westerwelle in New York. Die Sorgen der Bundesregierung seien "eher größer und nicht kleiner" geworden.

Ausdrücklich hatte sich Mubarak an die Demonstranten auf dem Tahrir-Platz gewandt. "Ich spreche zu allen von Ihnen aus meinem Herzen wie ein Vater zu seinen Söhnen und Töchtern." Angesichts der Toten und Verletzten bei den Protesten sagte er: "Das Blut der Märtyrer und der Verletzten wird nicht umsonst sein. Ich werde nicht zögern, die hart zu bestrafen, die dafür verantwortlich sind." Er versprach, den Forderungen der Opposition nachzukommen und lobte den Beginn des politischen Dialogs.

Ägyptens militärische und politische Führung tagte in Krisensitzungen. Die Armeeführung teilte mit, sie habe "Schritte eingeleitet, um die öffentliche Sicherheit zu gewährleisten".

"Neue Ära" mit Geduld

Mubarak-Gegner auf dem Tahrir-Platz.

Mubarak-Gegner auf dem Tahrir-Platz.

(Foto: dpa)

Hossam Badrawi, Generalsekretär der ägyptischen Regierungspartei NDP, hatte sich zuvor offen über ein politisches Ende Mubaraks geäußert. "Sie haben gewonnen", sagte Badrawi nach Angaben des Senders CNN zu den Demonstranten auf dem Tahrir-Platz. Mubarak werde den Forderungen der Jugend nachkommen und Maßnahmen im besten Interesse des Landes ergreifen.

Außenminister Ahmed Abul-Gheit räumte ein, dass Ägypten "in eine neue Ära eintritt", bat aber um Geduld beim politischen Übergang. "Sollte Chaos ausbrechen, werden die Streitkräfte einschreiten, um das Land unter Kontrolle zu bringen. Dies wäre ein Schritt, der zu einer sehr gefährlichen Situation führen könnte", sagte Abul-Gheit dem Sender Al-Arabija.

Erst am Mittwoch hatte Suleiman vor einem Staatsstreich gewarnt, sollten die Gespräche zwischen Opposition und Regierung scheitern. Das Militär griff bei den Protesten bisher nicht ein und stellte sich lediglich als Puffer zwischen Mubarak-Gegner und -Unterstützer.

Ein Gericht in Kairo verhängte Ausreiseverbote für drei frühere Minister der Regierung. Auch das Einfrieren der Konten habe das Gericht gebilligt, berichteten ägyptische Medien. Betroffen sind demnach Ex-Tourismusminister Suheir Garana, der früher für Wohnungsbau zuständige Ressortchef Ahmed al-Maghrabi und der Ex-Minister für Handel und Industrie, Raschid Mohammed Raschid. Unter den der Korruption und des Diebstahls beschuldigten Politikern ist auch der Stahlmagnat Ahmed Ezz, ein führendes Mitglied der Regierungspartei NDP. Es gebe fünf weitere Beschuldigte.

Quelle: ntv.de, rpe/hdr/dpa/rts/AFP

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