Politik

Grünen-Parteitag in Freiburg Zu Gast auf dem fliegenden Teppich

2uic0307.jpg4401849988296901464.jpg

(Foto: dpa)

Erstmals seit Beginn des Höhenflugs der Grünen kommt die Partei an diesem Wochenende in Freiburg zusammen, um über den weiteren Kurs zu beraten. Die Grünen-Spitze will das Umfragehoch am liebsten ignorieren, sie hat Angst, dass der Erfolg so schnell zerbricht wie er gekommen ist. Realos und Linke in der Partei pochen allerdings auf Konsequenzen.

Die wichtigsten Themen stehen nicht auf der Tagesordnung: Wenn sich die Grünen von heute an in Freiburg zu ihrem Bundesparteitag treffen, geht es um Atomkraft und Kommunalfinanzen, Gesundheitspolitik und Nahost. Was die Parteiführung aber um jeden Preis verhindern will, ist eine ausufernde Debatte oder gar Beschlüsse zum derzeitigen Umfragehoch der Grünen und daraus folgenden Konsequenzen. "Dieser Höhenflug kann so flüchtig sein wie hochprozentiger Schnaps", warnte Parteichef Cem Özdemir im Vorfeld der Bundesdelegiertenkonferenz. "Wir müssen liefern", erklärte seine Mitvorsitzende Claudia Roth.

Bloß nicht abheben lautet die Vorgabe der Parteispitze. Oder wie es der Spitzenkandidat in Baden-Württemberg, Winfried Kretschmann, gesagt hat: "Ich bleibe auf dem Teppich. Aber der Teppich fliegt." Den Grünen ist der eigene Erfolg derzeit etwas unheimlich, zumal er bislang rein virtuell ist. Mehr als 20 Prozent im Bund, Berlin und Baden-Württemberg, stellenweise stärker als die SPD und mit realistischen Chancen, in einem der beiden Bundesländer 2011 erstmals den Regierungschef zu stellen. Doch Umfragen sind keine Wahlergebnisse, da kann die Stimmung noch so gut sein. "Es gibt zwar viele Leute, die sich vorstellen können, uns zu wählen. Wir müssen aber noch einiges dafür tun, dass sie tatsächlich zu unseren Wählern werden", sagte Özdemir. Was aber, das ist umstritten bei den Grünen, und soll deshalb kein Thema sein in Freiburg.

Strittige Themen vertagt

Nach Ansicht der Parteiführung ist die beste Reaktion auf die sensationellen Umfragewerte, sie zu ignorieren und sich in die Arbeit an politischen Programmen zu stürzen. "Wir müssen realitätstaugliche Konzepte vorlegen, ohne unsere Visionen für die Zukunft zu verlieren", fordert Grünen-Chefin Roth. Deshalb die Arbeit am Konzept der Bürgerversicherung für die Gesundheitspolitik, deshalb die Weiterführung des Energiekonzepts, deshalb die Frage nach der Finanzierung der Kommunen. Allesamt Themen, bei denen Streit höchsten im Detail erwartet wird. Strittige Felder wie die Sozial- oder Steuerpolitik werden auf die Zeit nach den wichtigen Landtagswahlen im nächsten Jahr vertagt.

Beschnupperten schon mal den Tagungsort: Claudia Roth und Cem Özdemir in der Freiburger Messe.

Beschnupperten schon mal den Tagungsort: Claudia Roth und Cem Özdemir in der Freiburger Messe.

(Foto: dpa)

Geschlossenheit und Glaubwürdigkeit sollen das Umfragehoch der Grünen bis an die Wahlurnen im nächsten Jahr tragen. Diskussionen über mögliche Koalitionen oder die Frage, ob die Grünen jetzt eine Volkspartei sind, würden das Bild einer an der Sache orientierten Partei nur stören. Geführt werden sie trotzdem, auch in Freiburg. Allerdings nur in den Fluren, Hinterzimmern und Tagungspausen. Auf dem Parteitag stellt sich zudem die gesamte Parteiführung aus Grünen-Doppelspitze, Parteirat und Vorstand zur Wahl. Streit gibt es auch dabei nicht. Lediglich im erweiterten Vorstand gibt es an zwei Positionen Kampfkandidaturen.

Eine Frage des Profils

Bei den Aussprachen zu den Kandidaten oder dem Ausblick auf die Landtagswahl könnte das Umfragehoch mitsamt möglicher Konsequenzen doch noch zur Sprache kommen. Es sind vor allem dem Realo-Flügel der Partei zugezählte Abgeordnete aus dem Bundestag, die das Thema Volkspartei auf die Agenda setzen wollen. Sie dringen auf ein breiteres Profil der Grünen, um die neue Wählerschichten anzusprechen und die Partei dauerhaft über die 20-Prozent-Marke zu heben. Allerdings müssen sie dabei mit heftigen Widerstand der Parteilinken rechnen, die eine Verschärfung des Parteiprofils fordert, um als Grüne erkennbar zu blieben und nicht im Einheitsbrei der anderen Parteien unterzugehen.

Vielleicht hat Parteichef Özdemir deshalb auch unmittelbar vor dem Parteitag noch ein ganz anderes Thema lanciert, um von diesem Streit abzulenken und dem Eindruck einer allzu bürgerlich-konservativen Partei mit grünem Anstrich entgegenzuwirken. Zusammen mit dem Finanzexperten der Bundestagsfraktion, Gerhard Schick, fordert er die Anhebung des Spitzensteuersatzes von derzeit 42 auf 45 Prozent. Noch ein Thema, das nicht offiziell auf der Tagesordnung des Parteitags steht, den rund 800 Delegierten aber reichlich Diskussionsstoff bieten dürfte.

Quelle: ntv.de

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen