"Gehört zu korruptesten Ländern" Slowakei knüpft Hilfe für Ukraine an Bedingungen
27.10.2023, 16:09 Uhr Artikel anhören
Der neue slowakische Ministerpräsident Robert Fico hat sein Amt erst diese Woche angetreten.
(Foto: picture alliance/dpa/AP)
Die Europäische Union will die Ukraine weiter finanziell unterstützen. Doch beim EU-Gipfel in Brüssel stellen sich die Slowakei und Ungarn quer. "Die Ukraine gehört zu den korruptesten Ländern der Welt", wettert der neue slowakische Premier Fico.
Ungarn und die Slowakei blockieren neue Milliardenhilfen der Europäischen Union für die Ukraine. Beim EU-Gipfel in Brüssel äußerten beide Staaten harte Kritik an einem geplanten Hilfspaket für das Land in Höhe von 50 Milliarden Euro. Für Streit sorgte bei dem heute endenden Gipfel auch der Vorstoß zu einer milliardenschweren Budgetaufstockung, die Brüssel von den Mitgliedsländern fordert.
Der neue slowakische Ministerpräsident Robert Fico erklärte, dass die EU-Hilfe für die Ukraine in Höhe von 50 Milliarden Euro auch Garantien dafür enthalten sollte, dass die Mittel nicht zweckentfremdet werden. Zudem verlangte er, ein Teil der Gelder müsse in die Absicherung der slowakisch-ukrainischen Grenze fließen und heimischen Unternehmen zugutekommen, die zum Wiederaufbau der Ukraine beitrügen. "Die Ukraine gehört zu den korruptesten Ländern der Welt, und wir knüpfen die übermäßige finanzielle Unterstützung an die Garantie, dass die europäischen Gelder (einschließlich der slowakischen) nicht veruntreut werden", sagte Fico.
Die Ukraine ist seit einiger Zeit bemüht, konsequenter gegen Korruption und Bestechung im Land vorzugehen - auch mit Blick auf den von ihr angestrebten EU-Beitritt. Im Korruptionsindex von Transparency International liegt die Ukraine auf dem 116. von 180 Plätzen, Russland liegt auf Platz 137. Fico gilt als prorussisch und hat bereits einen Stopp der Militärhilfe seines Landes für die Ukraine verkündet. Der Linkspopulist hatte sein Amt erst diese Woche angetreten.
Bettel wirft Orbán Erpressung vor
Hart zeigte sich auch Ungarn. Die Strategie der EU in der Ukraine sei gescheitert, sagte Regierungschef Viktor Orbán dem ungarischen Staatsrundfunk am Rande des Gipfels. Die Ukraine werde nicht an der Front gewinnen. Die EU müsse einen Alternativplan erarbeiten. Auf dem EU-Gipfel habe es einen "großen Kampf" gegeben, vor allem über die Unterstützung der Ukraine. Er sehe keinen Anlass, ungarische Steuergelder in das EU-Budget für Ukraine-Hilfen fließen zu lassen, betonte Orbán. Der Beschluss für die neuen Ukraine-Mittel erfordert Einstimmigkeit der 27 Mitgliedsländer.
Luxemburgs Regierungschef Xavier Bettel warf Orbán Erpressung vor und kritisierte, der Ungar zeige der Ukraine damit den "Stinkefinger". Diplomaten zufolge will Orbán mit seiner Blockade die Freigabe von 13 Milliarden Euro für Ungarn erzwingen, welche die EU im Streit um die Rechtsstaatlichkeit in dem Land eingefroren hat.
Letztlich sicherten die Staats- und Regierungschefs der Ukraine anhaltende Waffen- und Munitionslieferungen zu. Zudem versprachen sie die Lieferung zusätzlicher Stromgeneratoren und mobiler Heizstationen sowie stärkere Anstrengungen zur Zwangsbeteiligung Russlands an der Beseitigung von Kriegsschäden. Die EU werde der Ukraine und ihrer Bevölkerung so lange wie nötig entschiedene finanzielle, wirtschaftliche, humanitäre, militärische und diplomatische Hilfe leisten, heißt es in einer Abschlusserklärung. Die EU-Unterstützung für die Unabhängigkeit, Souveränität und territoriale Unversehrtheit der Ukraine sei unverbrüchlich.
Den EU-Außenbeauftragten Josep Borrell forderten die Staats- und Regierungschefs auf, bis zum nächsten Gipfel im Dezember mit der Ukraine Gespräche zu möglichen langfristigen Sicherheitszusagen zu führen. Borrell hat vorgeschlagen, längerfristige Finanzierungszusagen für Militärhilfen zu machen und mit EU-Geld auch die Lieferung moderner Kampfjets und Raketen zu unterstützen. Zudem erwägt er, der Regierung in Kiew eine deutliche Ausweitung des militärischen Ausbildungsprogramms für die ukrainischen Streitkräfte zuzusichern. Wenn die Umstände es zulassen, könnte demnach sogar eine schrittweise Verlagerung der Trainingsaktivitäten in die Ukraine in Betracht gezogen werden.
50 Milliarden Euro bis 2027
Die estnische Ministerpräsidentin Kaja Kallas sagte, die Mehrheit der Gipfelteilnehmer habe klargemacht, "dass die Ukraine unterstützt werden muss und dass dies vor Jahresende geschehen muss". Sie äußerte sich optimistisch, Ungarn und die Slowakei noch ins Boot holen zu können.
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte Ende Juni eine "Reserve" für die Ukraine in Höhe von 50 Milliarden Euro für die kommenden vier Jahre vorgeschlagen. Davon sind 17 Milliarden Euro als direkte Zuschüsse aus dem EU-Haushalt vorgesehen sowie weitere 33 Milliarden als Kredite.
Dafür müssten die Mitgliedsländer den bis 2027 geltenden Budget-Finanzrahmen nach Darstellung der Kommissionschefin massiv aufstocken. Weitere Milliarden sind für den Bereich Migration vorgesehen sowie für die Bewältigung von Naturkatastrophen und den Ausbau "grüner" Technologien. Insgesamt veranschlagt von der Leyen die Zusatzmittel auf 66 Milliarden Euro bis 2027. Das Europaparlament fordert sogar 76 Milliarden Euro zusätzlich von den Mitgliedsländern.
Quelle: ntv.de, jpe/AFP/rts