Zwischenruf Handeln gegen rechten Terror
14.11.2011, 16:28 Uhr
Beamte bei der Spurensicherung in Zwickau, wo die rechtsextreme Beate Z. ihre Wohnung in die Luft sprengte.
(Foto: dpa)
Ist Justitia auf dem rechten Auge blind? Ermittlungspannen und jahrelange, ergebnislose Nachforschungen werfen Fragen auf. Die deutsche Demokratie sollte sich wehren. Diesmal rasch und kompromisslos.
Terrorismus von Ultrarechts oder auch nur die Gefahr organisierter, rechtsradikaler Schwerkriminalität hat in der öffentlichen Wahrnehmung bislang keine Rolle gespielt. Im Falle des norwegischen Massenmörders hielten selbsternannte Sicherheitsexperten die Behauptung, es handele sich um islamistischen Terror, auch dann noch aufrecht, als bekannt wurde, dass das Verbrechen auf der Insel Utøya den Teilnehmern eines jungsozialistischen Ferienlagers galt. Auch im Falle von Anschlägen auf Bahngleise oder von serienweisen Autobränden werden die Täter, selbst wenn es kaum Anhaltspunkte gibt, fast ausschließlich im linksradikalen Milieu vermutet.

Der mutmaßliche Rechtsextreme Holger G. wird dem Haftrichter vorgeführt.
(Foto: dpa)
Das erste Verbrechen hatten die mutmaßlichen Täter des sogenannten bereits im September 2000 begangen. Von einer möglichen Spur in die rechtsextreme Szene war öffentlich nichts zu vernehmen. Und auch intern haben die Ermittlungsbehörden eine Nazi-Connection offenbar nicht in Erwägung gezogen. Oder ziehen wollen? Nunmehr bekanntgewordene Ermittlungspannen werfen jedenfalls entsprechende Fragen auf. Schon werden Vorwürfe laut, Justitia wäre auf dem rechten Auge blind. Damit keine Missverständnisse auftauchen: Ultralinker Terrorismus ist ebenso verbrecherisch wie ultrarechter.
Doch in der Praxis sind jene, die sich gegen Rechtsaußen erheben – oder sich manchmal bei Straßenblockaden auch hinsetzen – eher Ziel von polizeilichen Gegenmaßnahmen als die Partizipanten von Nazi-Zusammenrottungen. Bundestagsvize Wolfgang Thierse kann ein Lied davon singen. Der "Aufstand der Anständigen", zu dem der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder aufrief, endet für die Aufständischen bis auf den Tag nur allzu häufig mit einem blauen Auge oder Schlimmerem.
Als ein breites Bündnis von Demokraten im Februar einen Aufmarsch von Neonazis in Dresden verhinderte, hatte die Polizei der sächsischen Landeshauptstadt nicht etwa die Nazis erkennungsdienstlich erfasst, sondern tausende von Mobiltelefondaten der Gegendemonstranten registriert. Die deutsche Demokratie sollte die Gelegenheit nutzen, braunem Terror und Hetze künftig entschlossen entgegenzutreten. Und nicht wieder elf Jahre vergehen lassen.
Manfred Bleskin kommentiert seit 1993 für n-tv das politische Geschehen. Er war zudem Gastgeber und Moderator verschiedener Sendungen. Seit 2008 ist Bleskin Redaktionsmitglied in unserem Hauptstadtstudio in Berlin.
Quelle: ntv.de