Keineswegs "links-grün-versifft" Machen Sie feministische Außenpolitik, Herr Merz!
27.03.2022, 09:14 Uhr
Friedrich Merz am Mittwoch in der Generaldebatte des Bundestags.
(Foto: picture alliance/dpa)
Friedrich Merz hat nicht viel übrig für feministische Außenpolitik. Womöglich hat er den Kern des Problems auch noch nicht umrissen. Hoffentlich ist der CDU-Chef lernfähig.
CDU-Chef Friedrich Merz echauffierte sich vor ein paar Tagen im Bundestag darüber, dass die geplanten 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr womöglich auch in eine "feministische Außenpolitik" investiert werden könnten.
Merz‘ Gestik und Mimik waren unmissverständlich. Als ihm das Wort "feministische" über die Lippen ging, machte er mit seinem Arm eine Bewegung, als wolle er das Thema zusammenknüllen und in der nächsten Parlaments-Mülltonne versenken. In Richtung Ampel sagte der 66-Jährige: "Sie können von mir aus feministische Außenpolitik machen, feministische Entwicklungshilfepolitik, das können Sie alles machen, aber nicht mit diesem Etat für die Bundeswehr."
"Das ist kein Gedöns"
Friedrich Merz würde an dieser Stelle sagen: So weit, so gut. Auf die Replik von Bundesaußenministerin Annalena Baerbock schien der Unionsfraktionsvorsitzende allerdings nicht vorbereitet zu sein. "Mir bricht es das Herz. Wissen Sie warum?", fing Baerbock an.
Merz legte ironisch seine Hand aufs Herz. Baerbock fuhr aber fort und berichtete von Gesprächen mit Frauen in Srebrenica, die während des Bosnienkriegs Opfer von Vergewaltigung geworden waren.
Baerbock berichtete, was die Frauen ihr erzählt hätten: "Damals wurde nicht gehandelt, Anfang der Neunzigerjahre, als sie, als ihre Töchter und Freundinnen vergewaltigt worden sind und Vergewaltigung als Kriegswaffe nicht anerkannt war, nicht vom Internationalen Strafgerichtshof verfolgt wurde. Deswegen gehört zu einer Sicherheitspolitik des 21. Jahrhunderts auch eine feministische Sichtweise. Das ist kein Gedöns, sondern das ist auf der Höhe dieser Zeit."
Das saß.
Und Baerbock hat recht. Auch bei diesem Vernichtungskrieg - und der Krieg, den Putin gegen das ukrainische Volk führt, ist mittlerweile ein Vernichtungskrieg - geht es immer um die Demütigung und letztlich die Vernichtung von Frauen.
"Systematische Vergewaltigung als Waffe"
Die Kriegsreporterin, Autorin und Filmemacherin Julia Leeb erklärt es in einem Telefonat am Freitag so: "Während meiner zehnjährigen Arbeit in Kriegsgebieten musste ich erkennen, dass es, trotz unterschiedlicher Natur der einzelnen Konflikte, ein wiederkehrendes Muster gibt: und das ist die systematische Gewalt gegen Frauen, die mir in den unterschiedlichsten Gestalten begegnet ist. Vergewaltigung als strategische Waffen ist eine von ihnen."
Leeb, die viele Krisenregionen auf dieser Welt besuchte, sagt, dass die patriarchalen Strukturen immer noch dazu dienten, vor allem die Opfer und nicht die Täter zu stigmatisieren: "Gerade in den ländlichen Gebieten, wie zum Beispiel in der Demokratischen Republik Kongo, wird durch den geschundenen Frauenkörper nicht nur die einzelne Frau zerstört. Langfristig zerbrechen die Ehen, die Familien und die Gemeinschaft. Das ist das Ziel. Somit sind die systematischen Vergewaltigungen eine äußert billige Kriegswaffe."
Auch in der Ukraine finden gerade Vergewaltigungen von Frauen statt. Der russische Präsident wird das wissen. Etwas dagegen unternehmen wird er natürlich nicht.
Vielleicht klingt "feministische Außenpolitik" für einige Männer nach Benachteiligung von Männern. Vielleicht klingt es für einige Männer (und natürlich auch Frauen) nach einer nicht ernst zu nehmenden "links-grün-versifften" und hochideologischen Politik. Aber wer mit den Taliban verhandeln will, muss die Rechte der Frauen zum Topthema machen. Wenn Länder von uns Gelder wollen, dann müssen wir hinsehen, was diese Gesellschaften für Frauen tun.
Und letztlich findet feministische Außenpolitik auch die richtigen Worte für den Schmerz der Mütter über ihre so jungen gefallenen Söhne. Die ukrainischen und russischen Mütter werden es uns bald erzählen. Und sie werden, wie nach dem Völkermord in Srebrenica, fragen: Wo wart ihr eigentlich, als das passiert ist? Und was habt ihr dagegen getan?
Feministische Außenpolitik ist kein Gedöns, sagt Baerbock. Richtig. Und die Empfehlung an die CDU: Wer diese Partei modern ausrichten will, der muss verstehen, dass an feministischer Außenpolitik kein Weg mehr vorbeiführt.
Quelle: ntv.de