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Zwischenruf Ramsauer vertreibt sich die Zeit

Der Bundesverkehrsminister stellt nun schon zum zweiten Mal "Eckpunkte" seiner geplanten Reform des Verkehrszentralregisters vor. Ein Glück, dass das Wirrwarr nicht schon das fertige Gesetz ist.

Ramsauer erklärt das 8-Punkte-System.

Ramsauer erklärt das 8-Punkte-System.

(Foto: dapd)

Schon die Art der Vorstellung der Neuregelung der Flensburger Autosünderkartei lässt erkennen, dass Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer selbst wohl noch einige Zeit braucht, um sie zu verstehen. Mal verhaspelt er sich, bringt Zahlen durcheinander, dann delegiert er Antworten an den Referenten. Das erinnert fatal an die Präsentation der neuen Verkehrsschilder 2009, als der CSU-Politiker wegen der frappierenden Ähnlichkeit der Schilder alt und neu verwechselte. Geändert hat sich durch das leicht modifizierte Design nichts. Im Gegenteil. Die Zahl der Verkehrstoten ist gestiegen.

Dass sie nicht noch höher ist, liegt einzig und allein an der gestiegenen Effizienz der Rettungskräfte, die bei Schwerstunfällen mit Hubschraubern halt schneller zur Stelle sind. Die Brutalität im Straßenverkehr hat beängstigende Formen angenommen. Das gilt zunehmend sowohl für Führer von Kraftfahrzeugen als auch für Radfahrer, die sich so verhalten, als lebten sie in einem rechtsfreien Raum.

Schon der geplante künftige Name des Verkehrszentralregisters weist in die falsche Richtung: In einem "Fahreignungsregister" soll erfasst werden, ob die/der Betreffende die Eignung zum Führen eines Kraftfahrzeugs besitzt. Die Fahreignung ist jedoch eine individuelle Fähigkeit. Es muss aber darum gehen, bei ständig steigendem Verkehrsaufkommen Sicherheit und Umweltschutz auf den Straßen zu erhöhen. Studien haben ergeben, dass die Autobahnen in der EU 2015 theoretisch "zugestaut" sind. Der Güterfluss auf den Straßen nimmt stetig zu, der Plan "von der Straße auf die Schiene" ist ad acta gelegt. Dümmeres als die mögliche Einführung sogenannter Megatrucks kann man sich da eigentlich gar nicht einfallen lassen.

Guillotine oder Kavaliersdelikt?

Nachgerade abenteuerlich ist es, wenn mit Blick auf eine "Verwaltungsvereinfachung" kleine Schlampereien eines eigentlich disziplinierten Autofahrers mit denen Rüpeleien notorischer Verkehrsrowdys gleichgesetzt werden. Es ist schwer vorstellbar, wie da in einem künftigen 8- statt 18-Punkte-System differenziert werden soll. Gänzlich unverständlich, dass Fahren ohne oder mit einem nur unzureichend erkennbaren polizeilichen Kennzeichen aus dem Bußgeldkatalog herausgenommen wird. Gibt's in Zukunft dafür die Guillotine oder gilt das als Kavaliersdelikt? Ramsauer lobt seine Idee gleich zweimal, sagt aber nichts zum geplanten Umgang mit einem solchen Rechtsverstoß.

Die dringend erforderlichen Veränderungen lassen sich nicht über ein neues Punktesystem erzielen, sondern nur vermittels eines komplexen Programms, das Umwelt und Sicherheit miteinander verknüpft. Dazu gehört auch die Einführung eines Tempolimits, wie es in allen Mitgliedsstaaten der EU üblich ist. Doch selbst eine Begrenzung auf 110 km/h wie beispielsweise in Schweden bringt nichts, wenn nicht genügend polizeiliche Kontrollkräfte vorhanden sind. Deren Zahl nimmt seit Jahren rapide ab. Heute sind weit mehr als 10.000 Polizisten weniger im Einsatz als noch zu Beginn des Jahrhunderts.

Bleibt die Frage, warum Ramsauer Anfang des Monats die Eckpunkte seines Vorhabens schon einmal öffentlich machte und nun wieder nur von Eckpunkten spricht, als die er seine Pläne verstanden wissen will. Der Chef der Gewerkschaft der Polizei, Bernhard Witthaut, nannte das Vorhaben vor Wochen schon einen "anlasslosen politischen Arbeitsnachweis". Dem ist nichts hinzuzufügen.

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Manfred Bleskin kommentiert seit 1993 das politische Geschehen für n-tv. Er war zudem Gastgeber und Moderator verschiedener Sendungen. Seit 2008 ist er Redaktionsmitglied in unserem Hauptstadtstudio in Berlin.

Quelle: ntv.de

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