Kommentare

Urteil zum Wohl der Patienten Richter beseitigen Grauzone

Das Urteil der Bundesrichter vom Juli 2010 ist vor allem eine Entscheidung im Sinn der betroffenen Paare und Mediziner. Und es zeigt, dass das Embryonenschutzgesetz nicht viel wert ist.

PID: Diagnose zur Früherkennung schwerer Erbschäden.

PID: Diagnose zur Früherkennung schwerer Erbschäden.

(Foto: picture-alliance/ dpa)

Bisher mussten Mediziner mit einer Anklage rechnen, wenn sie Genchecks an künstlich befruchteten Embryonen machten. Seit Juli 2010 sind sie auf der sicheren Seite. Denn mit der Feststellung, dass Gentests an Embryonen nicht strafbar sind, hat der Bundesgerichtshof eine rechtliche Grauzone beseitigt.  Es ist ein richtiges und lange überfälliges Urteil - zum Wohl der betroffenen Patienten.

Dafür gesorgt hat in erster Linie ein Berliner Fertilitätsmediziner, der den in Deutschland verbotenen Gencheck gleich bei drei Paaren durchführte – und sich anschließend selbst anzeigte. Herausgekommen ist ein Grundsatzurteil, das Rechtssicherheit für alle Betroffenen schafft.

Es ist auch kein schwerer Schlag gegen den Schutz und die Würde menschlichen Lebens, wie Kritiker befürchten – denn das Urteil betrifft nur Ausnahmefälle. Nur bei Paaren mit einer Veranlagung für schwere Erbschäden dürfen Ärzte künftig im Reagenzglas befruchtete Eizellen auf Genschäden untersuchen. Damit ist es erlaubt, Embryonen mit einem Gendefekt zu verwerfen, eine Auswahl etwa nach dem Geschlecht oder der Augenfarbe des Kindes haben die Bundesrichter erneut ausdrücklich verboten.

Sorge vor Designer-Babys

Wer also gleich Designer-Babys aus dem Katalog befürchtet, liegt falsch. Denn bei der Präimplantationsdiagnostik (PID) geht es in erster Linie darum, Fehlgeburten oder Spätabtreibungen zu vermeiden und so junge Paare vor großem Leid zu bewahren. Es erscheint geradezu grotesk, wenn ein Arzt nach einer künstlichen Befruchtung alle Eizellen einsetzen muss – auch auf die Gefahr, dass diese genetische Defekte aufweisen und ein späterer Schwangerschaftsabbruch sowieso die Folge wäre. Somit haben sich die Richter nicht gegen, sondern für das Leben entschieden.

Natürlich heißt das nicht, dass ein Vierzeller in der Petrischale vogelfrei ist. Auch ein solches mikroskopisches Leben hat Anrecht auf einen gewissen Schutz. Aber es kann nicht sein, dass dieser Schutz größer ist als der für einen Embryo im Mutterleib oder für die Mutter selbst.

Das Urteil der Bundesrichter ist vor allem eine Entscheidung im Sinn der betroffenen Paare und Mediziner. Es zeigt aber auch, dass das deutsche Embryonenschutzgesetz – erlassen vor 20 Jahren - nicht mehr viel wert ist. Lange hat man sich darauf versteift, angeblich drohende Manipulationen durch finstere Gentechniker zu verhindern. Vernachlässigt wurde dabei aber, dass Menschen mit Hilfe der Gentechnik erfahren können, ob ihre Kinder die Anlage für schwere Krankheiten in sich tragen. Solche Krankheiten wollen die Menschen verhindern, dafür brauchen sie klare und nachvollziehbare Regeln. Deshalb muss sich die Debatte über die Gentechnik den realen Sorgen und Gefährdungen der Menschen stellen.

Quelle: ntv.de

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen