Franzosen stärken die Ränder Sarkozy steht mit Rücken zur Wand
23.04.2012, 12:31 Uhr
Nicolas Sarkozy versucht, das Unmögliche doch noch zu schaffen.
(Foto: AP)
Es sieht nicht gut aus für Frankreichs Staatschef Sarkozy: Nimmt man die derzeitigen Umfragen, dann könnte er nach Georges Pompidou der am kürzesten amtierende Präsident der V. Republik werden. Aber auch der Sozialist Hollande muss noch kämpfen. Alles schaut nun auf den 2. Mai: Beim TV-Duell will Sarkozy seine letzte Chance nutzen.
Der erste Schuss der französischen Wähler hat nicht ganz gesessen. Das Präsidentenschiff von wurde knapp oberhalb der Wasserlinie schwer getroffen und ist damit noch nicht vollständig manövrierunfähig. Dennoch ist sein Untergang in 14 Tagen wahrscheinlich, weil sich Frankreich innen- und außenpolitisch auf stürmischer See befindet. So dringt immer mehr Wasser durch das Leck ins Innere. Es sieht ganz danach aus, dass stellen werden.

Keine Lichtgestalt: Macht er keine Fehler, dann zieht Francois Hollande wohl in den Elysée ein.
(Foto: AP)
Dennoch steht für Hollande das Projekt Einzug in den Elysée auf tönernen Füßen. Sein Vorsprung von nur 1,5 Prozent auf den Amtsinhaber im ersten Wahlgang ist alles andere als beruhigend. Hinsichtlich der beiden Stichwahlkandidaten leisteten die Demoskopen sehr gute Arbeit. Versagt haben sie allerdings bei der . Sie hat mit ihren Anhängern vom Front National deutlich mehr Stimmen erhalten als prognostiziert. Erschreckende 18 Prozent vereint die 43-jährige Rechtsanwältin mit ihren platten ausländer- und europafeindlichen Sprüchen auf sich und erreicht damit mehr als ihr Vater Jean-Marie Le Pen 2002 (16,9 Prozent). Auch auf der Gegenseite verdoppelt die kommunistisch angehauchte Front de gauche (Linksfront) den Stimmenanteil fast - 11,1 Prozent erhält ihr Kandidat Jean-Luc Mélenchon. Kurzum: Fast ein Drittel der Franzosen tummelt sich bei diesem Wahlgang an den politischen Rändern.
"Im Gegensatz zu den Deutschen hat der Franzose nicht die Sucht, sein Denken um jeden Preis mit der Wirklichkeit zur Deckung zu bringen", sagte der Schweizer Publizist Armin Mohler, der als Vordenker der Neuen Rechten gilt. Und er hat damit zweifellos recht. Die Menschen in der Grande Nation, die gar nicht mehr so grande ist, vertrauen zu großen Teilen nicht mehr Sarkozys konservativen Gaullisten. Aber sie haben auch ein sehr distanziertes Verhältnis zu den Sozialisten - nicht mal 29 Prozent für Hollande sind der Beleg dafür. Gaullisten und Sozialisten kommen zusammen auf nur unwesentlich mehr als 55 Prozent - ein Armutszeugnis für die Etablierten. So haben die Franzosen die Wahl zwischen zwei nicht überzeugenden Kandidaten - zugespitzt gesagt: Not duelliert sich nun mit Elend.
Sarkozy hat dabei die deutlich schlechteren Karten. Er könne mit Zuversicht in die zweite Runde gehen, rief er seinen Anhängern zu. Das ist nicht mehr als lautes Pfeifen im dunklen Wald, denn wird das Ergebnis der Umfragen für den zweiten Wahlgang am 6. Mai Wirklichkeit, . Allerdings: 54 zu 46 Prozent zugunsten von Hollande sprechen zwar eine deutliche Sprache, aber zwei Wochen sind im Wahlkampf eine lange Zeit.
Aktionistisch und unberechenbar
Schuld an seiner Misere hat Sarkozy selbst. Sein Aktionismus, der mitunter an den 1983 verstorbenen französischen Komiker Louis de Funès erinnert, und seine abrupten Kurswechsel kamen bei den Franzosen denkbar schlecht an. Der Abkömmling einer ungarischen Adelsfamilie machte auch zu viele Fehler. Er, der Präsident des Volkes sein wollte, kehrte diesem schon am Abend seiner Wahl im Mai 2007 symbolisch den Rücken, weil er es mit seinen Freunden aus Industrie und Showbusiness im Pariser Luxushotel Fouquet's so richtig krachen ließ. Danach begab er sich zum Ausspannen auf die Jacht des Industriellen Vincent Bolloré. Der gemeine Franzose schäumte vor Wut. Seine Scheidung von seiner Frau Cécilia und folgende Hinwendung zum Model Carla Bruni - natürlich wurde dies medial begleitet - wurde nur mit Kopfschütteln quittiert. Das führte dazu, dass Monsieur Le Président zuletzt die Anzahl der Auftritte mit seiner schönen Gattin auf ein Minimum reduzierte.
Ohne Zweifel ist Sarkozys Präsidentschaft eine sehr schwierige. Finanz- und Schuldenkrise erschütterten auch Frankreich in seinen Grundfesten. Sarkozy versuchte erfolglos, sich an die Spitze der europäischen Politik zu stellen - die Deutsche Angela Merkel ließ ihm mit der ihr eigenen Beharrlichkeit nur wenig Raum. Die wachsenden wirtschaftlichen und haushaltspolitischen Probleme der zweitgrößten EU-Wirtschaftsmacht brachten ihn gegenüber der deutschen Bundeskanzlerin ins Hintertreffen. Eine auch von Sarkozy zu Beginn seiner Amtszeit forcierte höhere Staatsverschuldung, die nun ein drastisches Sparen erfordert, schlechte Konjunkturdaten und wachsende Arbeitslosigkeit sorgten für die Präsidentendämmerung. Dass er kurzzeitig die deutsche Karte spielte und sich stärker an Merkel anlehnte, sorgte für weitere Verstimmung bei seinen Landsleuten. Den erneuten Kurswechsel weg von "Merkozy", der einen Verzicht auf Merkels Beisein bei Wahlauftritten nach sich zog, nahmen sie ihm nicht mehr ab. Dass Sarkozy zum Beispiel bei der Libyen-Problematik Führungsstärke zeigte, spielte kaum eine Rolle, die Herabstufung der Kreditwürdigkeit durch die Ratingagentur Standard & Poor's dagegen umso mehr. Diese sorgte dafür, dass ihm die Kompetenz in Wirtschafts- und Finanzfragen abhanden kam: Der Kaiser stand plötzlich ohne Kleider da. So könnte es sein, dass Sarkozy nach Georges Pompidou - dieser starb 1974 im Amt - der am kürzesten amtierende Präsident der V. Republik ist.
Frankreich wird schwieriger
So könnte es sein, dass mit Hollande ein farbloser Vertreter des sozialistischen Parteiapparates einer der mächtigsten Männer Europas wird. Der Mann aus dem Département Corrèze hat eine reelle Chance - nicht weil er überzeugt, sondern weil Sarkozy schwach ist. Seine Bauchschmerzen, die er hinsichtlich der Schuldenbremse hat, stellt Hollande während des Wahlkampfs in den Mittelpunkt. Mehr Wachstum und Arbeitsplätze müssten her, so der Sozialist. Wie er dieses schafft und dabei gleichzeitig intelligent spart, bleibt bislang sein Geheimnis. Die von ihm geplante Reichensteuer von 75 Prozent reicht nicht. Die Finanzierung von Hollandes 60-Punkte-Programm für Arbeit, Bildung und Jugend bleibt im Ungefähren. Die wirtschaftlichen und finanziellen Kenndaten, die entschiedenes Handeln verlangen, kann auch er nicht ignorieren. Klar ist aber auch, dass mit einem Präsidenten Hollande die deutsch-französischen Beziehungen nicht zusätzlich belastet würden. Sowohl unter Hollande als auch unter Sarkozy wird Frankreich - europapolitisch gesehen - schwieriger. Und bekanntlich hat Merkel die Gabe, mit komplizierten Gesprächspartnern souverän umgehen zu können.
Sarkozy hat noch eine kleine Chance auf eine zweite Amtszeit. Dabei kommt dem Fernsehduell am 2. Mai eine große Bedeutung zu. Vor fünf Jahren hat der quirlige Gaullist Ségolène Royal entzaubern können. Hollande wird aus dem missglückten Auftritt seiner Ex die richtigen Schlüsse ziehen und besser vorbereitet vor die Kameras treten.
Bereits jetzt kann er sich eines großen Teils der Stimmen aus dem Lager von Mélenchon, dem des Zentristen Francois Bayrou und der Grünen Eva Joly sicher sein. Dagegen werden wohl weniger als 50 Prozent aus der Le-Pen-Ecke Sarkozy unterstützen. Bleibt zu hoffen, dass sich Sarkozy - wie 2007 geschehen - nicht dazu verleiten lässt, nun auf rechtspopulistische Sprüche zu setzen. Denn dann würde der zweiwöchige intensive Wahlkampf ein schmutziger werden. Und das Leck in Sarkozys Schiff könnte so nicht geschlossen werden, denn auch in Frankreich werden die Wahlen in der Mitte gewonnen.
Quelle: ntv.de