Brittany Maynards Vermächtnis Wie wollen wir sterben?
03.11.2014, 13:27 UhrEine junge Frau, unheilbar krank, setzt ihrem Leben ein Ende: mit ärztlicher Hilfe. Lieber hätte sie weitergelebt, aber wenn sie schon sterben muss, soll es in Würde sein. Das ist keine Werbung für die Sterbehilfeindustrie.
Brittany Maynard ist tot. Die 29-Jährige ist nicht an dem bösartigen Hirntumor gestorben, den Ärzte Anfang des Jahres bei ihr diagnostiziert hatten. Sie starb an Medikamenten, die ihr Mediziner genau zu diesem Zweck verschrieben hatten. Wer daraus schlussfolgert, Sterbehilfe sollte immer überall für alle möglich sein, hat Maynard nicht verstanden.
Jedes Mal, wenn die junge Frau über ihren geplanten Tod sprach, wurde deutlich: Sie will vor allem nicht qualvoll sterben. Nicht voller Angst und mit Schmerzen. Dem Magazin "People" sagte sie: " Ich möchte leben. Ich wünschte, es gäbe eine Heilung für mich, aber die gibt es nicht. Mein Tumor wird mich töten, und ich kann es nicht kontrollieren. Ich habe mit vielen Experten darüber gesprochen, wie ich sterben werde, und es ist furchtbar. Selbst entscheiden zu können und in Würde zu gehen, ist für mich weniger schlimm."
Der Deutsche Hospiz- und Palliativverband fragte 2012, wovor Menschen beim Sterben die größte Angst haben. Die häufigste Antwort war: Der Apparatemedizin ausgeliefert zu sein (37 Prozent). Die zweithäufigste: Angst vor Schmerzen (36 Prozent) gefolgt von der Angst, anderen zur Last zu fallen (27 Prozent). Und noch etwas wurde in dieser Umfrage ganz deutlich: die meisten Menschen wollen zu Hause sterben, aber für die wenigsten erfüllt sich dieser Wunsch.
Nur Mittel zum Zweck?
Maynard wurde vorgeworfen, sie lasse sich von der Sterbehilfeorgansiation "Compassion & Choices" instrumentalisieren. Doch sie hatte das Rezept für die tödlichen Medikament längst eingelöst, als sie mit ihrem Schicksal an die Öffentlichkeit ging. "Wir haben echte Probleme mit der Art, wie Ärzte für die Realität des Todes ausgebildet werden", schrieb sie in ihrer Entgegnung.
Denn die junge Lehrerin wollte die Menschen nicht mit einem Suizidwunsch anstecken, sondern mit dem Nachdenken darüber, wie menschenwürdiges Sterben aussieht. Normalerweise beschäftigen sich junge Menschen nicht mit dem Tod. Mit Ende 20 liegt das Leben vor ihnen wie ein großes Versprechen. Doch Maynards Diagnose Glioblastom hat die nahezu unendlichen Möglichkeiten plötzlich zu einer überschaubaren Zahl von Lebenstagen mit beschränkten Entscheidungsmöglichkeiten werden lassen. Maynard musste sich damit beschäftigen, dass sie sterben würde, und zwar bald. Kein Medikament dieser Welt würde sie retten können. Sie würde keine Kinder haben und nicht gemeinsam mit ihrem Mann Dan alt werden. Stattdessen drohten Schmerzen, Anfälle, der Verlust der Persönlichkeit.
Aber sie konnte umziehen, in einen Bundesstaat, in dem sie über ihr Sterben mitbestimmen kann. Sie konnte an Orte reisen, die sie gern noch sehen wollte. Sie konnte mit den Menschen zusammen sein, die ihr die Liebsten sind. Dafür hat sie sich entschieden und ihre letzten Wochen mit Leben gefüllt. Am Ende hat sie die Medikamente genommen, die Ärzte ihr gedeckt vom "Death with Dignity Act" (Gesetz für ein Sterben in Würde) verschrieben hatten. 1173 Sterbenskranke bekamen seit 1997 das tödliche Betäubungsmittel verschrieben, doch nur 752 nahmen sich damit tatsächlich das Leben. Eine Wahl zu haben, kann eben auch heißen, etwas nicht zu tun. Maynard starb in ihrem eigenen Bett, im Beisein ihrer Familie, so wie sie es sich gewünscht und wie sie es entschieden hatte. Wenn das für jedermann gesichert wäre, hätten die Sterbehilfeorganisationen nichts zu tun.
Quelle: ntv.de