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Betonierte Feindbilder Worum es bei Trumps Mauer wirklich geht

"Ich werde eine große Mauer bauen, niemand baut Mauern besser als ich, glaubt mir."

"Ich werde eine große Mauer bauen, niemand baut Mauern besser als ich, glaubt mir."

(Foto: AP)

Gut möglich, dass die Mauer, die US-Präsident Trump an der Grenze zu Mexiko bauen will, nicht so funktioniert wie von ihm angekündigt. Doch das ist nicht das zentrale Problem. Schlimmer ist die Propaganda, die Trump betreibt.

Ein bisschen seltsam ist es schon. Gut 2000 Kilometer der insgesamt 3200 Kilometer langen Grenze zwischen den USA und Mexiko gehören zum Bundesstaat Texas. Man sollte meinen, dass texanische Republikaner den Bauer einer Mauer an dieser Grenze bejubeln. Doch so ist es nicht.

Der Kongressabgeordnete Will Hurd, dessen Wahlkreis allein eine 1200 Kilometer lange Grenze zu Mexiko hat, nannte den Bau einer Mauer "die teuerste und am wenigsten effiziente Art, die Grenze zu sichern". Von der 20-prozentigen Steuer auf mexikanische Produkte, mit der US-Präsident Donald Trump sein Wahlversprechen möglicherweise finanzieren will, hält Hurd noch weniger. Ein solcher Zoll wäre für die Gemeinden in seinem Wahlkreis verheerend, sagte er der "El Paso Times".

Texas ist mit 36 Abgeordneten und zwei Senatoren im US-Kongress vertreten, 25 davon sind Republikaner. Als eine andere Zeitung, die "Texas Tribune", all diese Politiker fragte, ob sie Trumps Mauer unterstützen, gab kaum einer von ihnen vollkommene Unterstützung zu Protokoll. Wer es gut mit Trump meint, nennt die Mauer eine "Metapher" oder, wie der Republikaner Pete Sessions, eine "Analogie". Aber Trump hat verkündet, die Mauer werde "wunderschön", sie werde höher als zehn Meter sein und weniger als 12 Milliarden Dollar kosten. Die Zahl stimmt vermutlich nicht. Doch für eine Analogie ist das recht konkret.

Ohne Feindbilder geht es nicht

Die Idee einer Mauer bündelt eine ganze Reihe von Trumps Botschaften. Trump steht für eine Abkehr der USA von der Welt und für eine Rückkehr in die angeblich guten alten Zeiten. Für einige seiner Anhänger steht Trump auch für eine Vergangenheit, in der weiße Männer den Ton angaben und die besten Jobs hatten. In der es okay war, abschätzige Sprüche über Frauen zu machen und in der Schwarze und Latinos wussten, wo ihr Platz war. Das gilt keineswegs für alle Trump-Wähler, wahrscheinlich nicht einmal für die Mehrheit unter ihnen. Doch in jedem Fall steht dieser Präsident für ein "wir" gegen "die". Trump braucht Feindbilder, um seine einfachen und vereinfachenden Lösungen plausibel wirken zu lassen.

Nach innen sind es vor allem Journalisten, nach außen Mexikaner und Muslime. Die einen würde er am liebsten aus dem Weißen Haus verbannen, die anderen mit einer Mauer beziehungsweise mit Visa-Beschränkungen aussperren. 30 Tage lang sollen Personen aus sieben muslimischen Ländern keine Einreiseerlaubnis erhalten, Flüchtlinge sollen 120 Tage lang nicht mehr ins Land gelassen werden. Ein entsprechendes Dekret will Trump Berichten zufolge demnächst unterzeichnen. Eine bevorzugte Behandlung sollen Flüchtlinge erhalten, die einer religiösen Minderheit angehören – also Christen. Eine Lösung für die Bedrohung der USA durch den islamistischen Terror ist das nicht. Es ist eine Maßnahme, mit der Trump Stärke demonstrieren kann.

Dies sei betont: Aus europäischer Sicht sollte man sich hüten, Trumps Abschottungspolitik allzu grundsätzlich zu kritisieren. Auch Deutschland und Europa versuchen, illegale Einwanderer und Flüchtlinge davon abzuhalten, die Grenze zu überqueren. Viele Europäer haben zwar eine historisch bedingte Abneigung gegen Mauern. Aber sie haben kein Problem, dass die EU immer höhere Zäune um sich herum errichtet.

Bei El Paso in Texas. Hier hat der Zaun eine Lücke.

Bei El Paso in Texas. Hier hat der Zaun eine Lücke.

(Foto: REUTERS)

Auch die texanischen Kongressmitglieder sind, wie die meisten europäischen Regierungspolitiker, nicht für offene Grenzen. Sie glauben nur nicht, dass eine Mauer die einzige Lösung ist. Die Realität ist komplizierter – mit geeigneten Leitern ist eine Mauer, an der kein Wachpersonal steht, schließlich nicht unüberwindlich. "Wenn man eine Mauer vom Pazifik bis zum Golf von Mexiko bauen würde", sagte Trumps Heimatschutzminister John Kelly in einer der Kongressanhörungen, die alle künftigen Minister in den USA durchlaufen müssen, "dann müsste man diese Mauer noch immer durch Patrouillen stützen, durch Menschen, durch Sensoren, durch Beobachtungsanlagen".

Gegen Trumps Suggestionen haben Fakten keine Chance

Trump suggeriert, dass es im Moment so gut wie keine Grenzbefestigung gibt. Das ist falsch. Auf amerikanischer Seite sind 21.000 Beamte im Einsatz, um die Grenze zu schützen, 23.000 weitere an den Grenzübergängen. Ein Drittel der Grenze ist durch Sperranlagen abgeriegelt. Es sei wahrscheinlich die am stärksten kontrollierte Grenze der ganzen Welt, schreibt der Migrationsforscher Douglas Massey, zumindest zwischen zwei Ländern, zwischen denen Frieden herrsche.

Und Trump suggeriert, dass die Mauer alle Probleme lösen werde. "Ich werde eine große Mauer bauen, niemand baut Mauern besser als ich, glaubt mir", sagte er im Juni 2015, als er seine Kandidatur bekannt gab. Die Mauer soll die Einfuhr von Drogen verhindern und illegale Einwanderer stoppen, die Trump in dieser Rede als Vergewaltiger bezeichnete. Als er am vergangenen Mittwoch den Erlass unterzeichnete, mit dem er den Mauerbau anordnete, lud er dazu Eltern ein, deren Kinder von illegalen Einwanderern ermordet wurden.

Die Statistik sagt, dass Immigranten weniger häufig Verbrechen verüben als gebürtige Amerikaner. Diese Tatsache lässt sich in einer Grafik darstellen – doch keine Grafik ist so anschaulich wie die Geschichten von Amerikanern, die von illegalen Einwanderern vergewaltigt oder getötet wurden. Trump hat viele solcher Geschichten im Wahlkampf erzählt.

Es gibt Experten, die sagen, dass eine Mauer die Zahl der illegalen Einwanderer in den USA eher erhöhen würde. Im 20. Jahrhundert verlief die Einwanderung aus Mexiko in einem Kreislauf: Einwanderer kamen, aber sie gingen auch wieder. Seit den 1980er Jahren, seit die Grenze immer stärker befestigt wird, sei dies nicht mehr möglich, schreibt Douglas Massey. Illegale Einwanderer würden nicht nach Mexiko zurückkehren, aus Angst, ihre Familien und Freunde nördlich der Grenze dann nie wieder sehen zu können.

In Trumps Welt haben komplizierte Tatsachen wie diese keinen Platz. Seine Methode ist: Er stellt ein reales Problem als gigantische Katastrophe dar, die nur er allein beenden kann. Mit Strafzöllen will er US-Unternehmen dazu zwingen, Jobs in den USA zu schaffen. Mit der Einführung eines "Tages der patriotischen Hingabe" will er das gespaltene Land einen. Die Terrormiliz IS will er "ausrotten". Und die illegale Einwanderung will er stoppen, indem er eine Mauer baut. Das Problem ist nicht, dass Trump vereinfacht. Das Problem ist, dass diese Vereinfachungen nur glaubhaft sind, wenn Trump Feindbilder aufbaut. Wahrscheinlich ist es so, wie Will Hurd, der Abgeordnete aus Texas, sagt: Die Mauer wird teuer und ineffizient sein. Das wäre nicht weiter dramatisch. Folgenschwerer ist das Signal, das Trump daraus macht.

Quelle: ntv.de

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