Person der Woche

Person der Woche: Omid Nouripour Der neue Grünen-Chef ist Außenminister in Reserve

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Die Grünen wählen neue Vorsitzende. Eine Hälfte des künftigen Duos ist der Außenpolitiker Omid Nouripour aus Frankfurt am Main. Mit ihm wird nicht nur ein Muslim Parteivorsitzender. Er ist auch ein schlauer, humorvoller Realo und Schattenaußenminister der Partei.

Die Grünen sortieren sich und wählen eine neue Parteispitze: Annalena Baerbock und Robert Habeck geben ihre Ämter ab, als neue Doppelspitze bewerben sich die Parteilinke Ricarda Lang und der Realo Omid Nouripour. Die Wahl von Nouripour ist besonders spannend. Mit ihm wird nicht nur ein Muslim zum Parteivorsitzenden gewählt. Der Mann passt obendrein in kein Klischee. Seine Eintracht-Frankfurt-Begeisterung ist derart gewaltig, dass man sich fragt, ob der Mann wirklich Spitzenpolitiker oder Kuttenträger in der Nordwestkurve beim Bundesligisten der Mainmetropole ist. Vor wenigen Wochen gab Nouripour im Fußballradio eine Kostprobe seiner Ultra-Leidenschaft, als er beim Lastminute-Sieg von Frankfurt über Union Berlin brüllte und dann "Ey, hol mal einen Arzt" stöhnte.

Nouripour tritt mal im eleganten Anzug als weltläufiger Außenpolitiker und Vorstandsmitglied der Atlantik-Brücke auf. Dann wieder mit Lederjacke oder Hoodie in Rapperstimmung. Einmal wirkt er wie ein alberner Aschermittwochswitzler in Hessen, dann wie das ernste Opfer der iranischen Diktatur aus Teheran. Fragt man Spitzengrüne bei einem Glas Wein über Omid Nouripour aus, dann hört man zwei Dinge regelmäßig: "schlauer Perser" (erstaunlich politisch inkorrekt) und "ein Joschka-Fischer-Realo" (erstaunlich naheliegend). Was erst beim letzten Glas Wein verraten wird - er sei zugleich ein "Außenminister in Reserve", falls Annalena Baerbock scheitern sollte.

Seit 2013 ist Nouripour außenpolitischer Sprecher der Grünen im Bundestag, führt zudem die deutsch-ukrainische Parlamentariergruppe - derzeit als tiefeninformierter Experte besonders gefragt. Er kam mit Außenpolitik schon früh im Leben und intensiver in Berührung als andere deutsche Zeitgenossen. Die ersten 13 Jahre seiner Kindheit lebte Nouripour im Iran, das brutale Mullah-Regime und der Krieg gegen den Irak prägten seine Jugend, die Eltern flohen nach Deutschland. "Meine Eltern hatten das Gefühl, dass es für ihre Kinder in Iran keine Perspektive gibt. Es gab die Regel, dass Jungs mit 14 nicht mehr ausreisen durften, damit sie sich nicht präventiv dem Wehrdienst entziehen. Und meine Schwester hatte zwar den Concours für die Uni mit einem Spitzenplatz bestanden, fiel aber durch die ideologische Überprüfung, weil sie nicht zum Freitagsgebet ging. Wir stimmten dann im Familienrat ab, ob wir Iran verlassen, und mein Vater wurde überstimmt", sagte Nouripour mal dem "Spiegel". Ein Onkel von ihm wurde hingerichtet, ein anderer im Krieg durch Giftgas verletzt und seine Schwester verhaftet.

Keine Lust auf Koch und Kellner

Nouripour hat seither einen scharfen Blick auf Diktaturen, und einen realpolitischen. So befürwortete er - anders als linke oder Friedens-Grüne - Luftschläge gegen den sogenannten Islamischen Staat, spricht sich für harte Wirtschaftssanktionen gegen Russland aus oder stellte den SPD-Außenminister Heiko Maas schon mal als Weichei mit "außenpolitischer Ambitionsfreiheit" dar. Viele fühlen sich bei Nouripours Art an Joschka Frischer erinnert. Beide kommen aus Frankfurt, haben eine anarchistische Seite, sind wilde Eintracht-Fans, beide haben kein abgeschlossenes Studium und sind außenpolitisch ambitioniert. Nouripour zog 2006 als direkter Nachrücker von Fischer erstmals in den Bundestag ein. Bei der Bundestagswahl im vergangenen Jahr war er mit einem starken Wahlergebnis in Frankfurt einer der 16 Grünen, die ein Direktmandat gewinnen.

Nouripour hat bei Fischer schmerzlich erlebt, wie Bundeskanzler Gerhard Schröder die Regierungsküche in Koch und Kellner einteilte. Das will er den Grünen diesmal ersparen. Als der SPD-Fraktionsvorsitzende Rolf Mützenich am Tag der Regierungs-Vereidigung davon spricht, die deutsche Außenpolitik werde "insbesondere im Kanzleramt" gesteuert, kommt Nouripours Twitter-Antwort schnell wie ein Konterangriff der Eintracht: "Nein, Rolf Mützenich. Außenpolitik wird nicht 'insbesondere im Kanzleramt gesteuert'. Das Auswärtige Amt so herabzusetzen ist die überkommene 'Koch-Kellner-Logik'."

In der Grünen-Bundestagsfraktion ist Nouripour schon wegen seiner unprätentiösen Heiterkeit und unkomplizierten Direktheit beliebt und zugleich als "Schattenaußenminister" angesehen. Sollte Baerbock scheitern und zurücktreten müssen, dann wäre er der prädestinierte Nachfolger. Fragt man Nouripour dazu, weicht er humoristisch aus: "Lieber würde ich Verteidigungsminister von Hessen. Und außerdem: Ein Außenminister läuft nicht mit Lederjacke rum". Was er nicht sagt - er kann ja auch Anzug.

Quelle: ntv.de

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