Privatkredit für Wulff "Als moralische Instanz versagt"
13.12.2011, 20:18 Uhr2010 leiht sich Christian Wulff eine beträchtliche Summe Geld von der Unternehmer-Gattin Edith Geerkens. Auf die Frage im niedersächsischen Landtag nach Geschäftsbeziehungen zu Herrn Egon Geerkens antwortet er mit nein. Rein formal lügt er nicht, aber Ehrlichkeit sieht anders aus, meint nicht nur n-tv.de. Mit dieser Haarspalterei versagt Wulff als moralische Instanz und beschädigt das Amt des Bundespräsidenten.

Christian Wulff kennt den Unterschied zwischen Politiker und Privatmann anscheinend nicht.
(Foto: dpa)
"Der Bundespräsident macht wieder Schlagzeilen", schreibt die Frankfurter Allgemeine Zeitung. Aber "nicht, weil er endlich das große Thema seiner Präsidentschaft gefunden hätte, das seit Ausbruch der Euro-Krise vor seinen Füßen liegt, sondern weil er auch schon als Ministerpräsident schwieg, wo Reden besser gewesen wäre." Während die Deutschen in der Euro-Krise um ihr Geld bangen, sei der Bundespräsident verstummt und reise durch die Welt, beobachtet das Blatt. Nun sei er zurückgekehrt – und zwar "mit einem neuen Aufreger in eigener Sache". (...) "Denn auch die nun aufgeworfene Frage, ob Wulff noch als Ministerpräsident den niedersächsischen Landtag getäuscht oder diesem nur nicht die ganze Wahrheit gesagt hat, hängt noch mit der 'Business-Class'-Affäre zusammen, in deren Verlauf er einen Verstoß gegen das Ministergesetz zugeben musste."
Der Fall sei juristisch zwar korrekt, aber das heiße längst nicht, dass er es auch moralisch sei, urteilt die tz. "Ohne Not hat Wulff seine eigene Glaubwürdigkeit angekratzt." Der Bundespräsident habe immer auf die Trennung von Politiker und Privatmann bestanden – doch diese existiere jetzt allenfalls auf dem Papier. "So mag formal nur Wulffs Frau von einer Unternehmer-Gattin einen keineswegs kleinen 500.000-Euro-Kredit bekommen haben. Und formal mag es stimmen, wenn Wulff einst die Frage im Landtag nach einer Geschäftsbeziehung zu dem illustren Händler selbst verneinte." Dennoch, so auch das Blatt aus München, habe Wulff nicht die ganze Wahrheit gesagt, "indem er sein eheliches Privatgeschäft verschwieg. Das hätte aber der Souveränität entsprochen, die sich ein Bürger von einem Politiker und erst recht einem Präsidenten erwarten darf."
Die Abendzeitung macht sich dafür stark, dass allein schon für jeden Dorfbürgermeister unbedingt gelten müsse, keine persönlichen Vorteile aus seinem Amt zu ziehen. "Für das Staatsoberhaupt der Bundesrepublik Deutschland, das eine moralische Instanz sein soll – eine Rolle, die Wulff bisher auch so ohnehin recht dünn ausgefüllt hat –, verbietet sich jeder Hauch eines Anscheins," ist die Zeitung aus München überzeugt. Reiche Unternehmerfreunde hin oder her – Wulff dürfe das unter keinen Umständen zu seinem eigenen Vorteil nutzen. Das Blatt tut sich ohnehin damit schwer zu verstehen, "woher diese Gier kommt: Warum kann jemand, der 200.000 Euro im Jahr verdient, seinen Urlaub nicht selbst zahlen? Oder einen normalen Kredit aufnehmen wie jeder andere auch? Es ist eine Frage des Anstands. Schade, dass er das – offenkundig – nicht selbst weiß."
Auch der Schwarzwälder Bote räumt ein, dass der Bundespräsident – damals noch im Amt des niedersächsischen Ministerpräsidenten – das Parlament nicht vorsätzlich belogen, nur nicht ganz die Wahrheit gesagt habe. Doch das schmälert keineswegs die negative Bewertung der Zeitung: "Selbst schuld, wenn die Abgeordneten nicht nach Geerkens Frau, Gärtner oder Fahrer gefragt haben? Mitnichten, denn Wulffs haarspalterisches Täuschungsmanöver ist ein verbaler Taschenspielertrick bar jeglicher Aufrichtigkeit. Das Ideal der Bürger vom sauberen und anständigen Politiker hat damit jedenfalls weitere tiefe Risse bekommen. Und das ist so ziemlich ein Totalschaden, den das stille Wasser Wulff dem Amt des Bundespräsidenten zugefügt hat."
Auch die Nürnberger Nachrichten sind hart und eindeutig in ihrem Urteil: "Das Staatsoberhaupt hat als moralische Instanz versagt. Die hanebüchene Erklärung, die er seinen Sprecher hat verlesen lassen, kann er nicht mehr ungeschehen machen. Wenn einer in dieser Lage den Respekt und das Vertrauen beschädigt, das ein Bundespräsident genießt, dann ist es Christian Wulff selbst."
Quelle: ntv.de, zusammengestellt von Julia Kreutziger