Pressestimmen

Schrumpfende Mittelschicht "Angst frisst die Seele des Landes auf"

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(Foto: picture alliance / dpa)

Die Reichen werden immer mehr und dabei immer reicher. Bei den Armen gilt genau dasselbe - nur andersrum. Die Studie des DIW ist noch kein Grund zur Panikmache für die einen, aber höchst alarmierend für die anderen. Denn die Sparpolitik der Bundesregierung schafft einen Nährboden für Angst, Resignation und Radikalisierung.

Eine Studie des Deutsches Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) belegt, das "die Reichen mehr und noch reicher geworden" seien und die Armen noch mehr und noch ärmer, resümiert die Ludwigsburger Kreiszeitung. Das bilde "eine soziale Schieflage", welche "durch das Sparpaket nach Überzeugung der Ökonomen noch vergrößert wird". Trotz sachlicher Argumente, würden die Armen "die geplanten Einschnitte unmittelbar und schmerzhaft" spüren. Die Reichen blieben aber außen vor. Doch "das ist nicht nur ungerecht, sondern auch politisch unklug", urteilt das Blatt. "Denn in immer breiteren Bevölkerungsschichten macht sich Resignation breit. Ein Teil hat das Gefühl, an seiner Lage sowieso nichts mehr ändern zu können. Ein anderer hat sich im Sozialsystem eingerichtet. Ein weiterer beklagt, in immer größerem Maße für alles aufkommen zu müssen. Hier gibt es enormen sozialen Zündstoff, dem die Regierung nicht genug Aufmerksamkeit schenkt."

"Die Mittelschicht schrumpft, die Armen verlieren inflationsbedingt an Einkommen, allerdings nur sehr gering", fasst der Fränkische Tag die "wichtigen" Erkenntnisse des DIW zusammen und sieht darin keinen Grund zur "Panikmache". "Im Krisenjahr 2009 zählten immer noch 62 Prozent zur von den Forschern definierten Mittelschicht. Von einer aussterbenden Spezies zu sprechen, ist übertrieben und spielt nur Polemikern wie Gregor Gysi in die Karten."

Anders sieht es das Hamburger Abendblatt: Die beständig schrumpfende deutsche Mittelschicht sei ein Prozess, welcher "in der Mitte der Gesellschaft (…) die Angst vor dem sozialen Abstieg" schüre. "Solche Sorgen vermögen ein Land zu lähmen. Wer Angst hat, kauft kein Haus, gründet keine Firma, zeugt keine Kinder. Wer Angst hat, entfremdet sich von Staat und Gesellschaft. Wer Angst hat, wendet den Volksparteien den Rücken zu und fällt leichter auf Populisten herein. Diese Angst frisst die Seele des Landes auf."

Die möglichen politischen Folgen spricht auch die Dithmarsche Landeszeitung an, wenn die schwarz-gelbe Koalition nicht den Mut habe, "die Wirtschaft in ausreichendem Maße in die Pflicht zu nehmen". Denn auch Konzerne und Banken hätten eine "Verantwortung für das Land". Opel ist ein gutes Beispiel für das Blatt: Die Firmen könnten "nicht (…) immer nur Forderungen stellen und sich von unseren Steuergeldern retten lassen". Ein vorzeitiges Ende der jetzigen Regierung sei "an sich noch kein Drama. Aber es besteht die Gefahr, dass viele Menschen aus Frust über die etablierten Parteien politisch radikalen Bauernfängern in die Arme laufen."

Auch der Nordbayerische Kurier meint, dass die abnehmende Mittelschicht Staat und Gesellschaft schwäche und den sozialen Zusammenhalt gefährde. Auch das Blatt aus Bayreuth spricht von der "Angst vor dem Absturz" und ihren Folgen einer möglichen "Resignation oder Radikalisierung". Ergo: "Wer also die Mittelschicht schwächt, sägt an dem Ast, auf dem wir alle sitzen. Dabei geht es gar nicht darum, Einkommensunterschiede und Leistungsanreize zu beseitigen und der Gleichmacherei das Wort zu reden. Viel wäre schon gewonnen, wenn wenigstens Kinder einkommensschwacher Familien gute Aufstiegschancen hätten. Das ist leider zu selten der Fall. Dafür trägt verkorkste Bildungspolitik eine Mitverantwortung."

Quelle: ntv.de, Zusammengestellt von Julia Kreutziger

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