Pressestimmen

Merkel besucht Griechenland "Berlin droht in Europa die Isolierung"

Der geplante Athen-Besuch von Bundeskanzlerin Angela Merkel wird flankiert von Protesten und der Angst vor Ausschreitungen. Die Tatsache, dass die Kanzlerin diese Reise nach Griechenland antritt, wird von der Presse eher positiv beurteilt. Über die Qualität ihres Besuchs gehen die Meinungen jedoch auseinander. Mutig steht einem "zu kurz" gegenüber. Außerdem sollte Merkel eher die treffen, die die Krise vor allem schultern müssen: die arbeitslosen und noch-arbeitenden Griechen, so die Kritiker.

Das griechische Volk möchte Merkel nicht zu Besuch haben.

Das griechische Volk möchte Merkel nicht zu Besuch haben.

(Foto: dpa)

"Dieser Besuch ist besser als gar kein Besuch. Und doch würde man sich wünschen, dass sich die Bundeskanzlerin mehr Zeit für ihre Reise nach Griechenland nähme", kommentiert das Düsseldorfer Handelsblatt. "Der einladende griechische Premierminister Antonis Samaras kann sich zwar damit trösten, dass solche Kurz-Trips diplomatischer Alltag geworden sind, doch sie entsprechen nicht der alten Einsicht, dass Reisen auch bilden kann. 7000 Polizisten sorgen nicht nur für Merkels Sicherheit, sondern auch dafür, dass Kontakt zu denjenigen unterbleibt, die am ehesten mit Merkel hätten reden müssen: die griechische Bevölkerung."

"Der 'hässliche Deutsche' hier, der 'faule Grieche' dort." Auch das Delmenhorster Kreisblatt fordert Merkel auf, mit denen in Griechenland zu sprechen, die vor allem unter der aktuellen Lage leiden: "Mit ihrer ach so geliebten Vermittler- und Moderatorenrolle kann unsere Kanzlerin diesmal keinen Blumentopf gewinnen. Sie könnte doch heute in Athen nicht nur den Repräsentanten von Wirtschaft und Politik, sondern auch den Vertretern der Arbeitenden und der Arbeitslosen in Griechenland erklären, warum Deutschland und Europa so handeln müssen, wie sie es seit Jahren tun. Vielleicht würden dann auch wir daheim verstehen, wohin Merkels Reise eigentlich gehen soll."

Die Augsburger Allgemeine findet verhaltenes Lob für die Bundekanzlerin: "Kritiker haben der Kanzlerin lange vorgeworfen, sie scheue davor zurück, den Menschen in Griechenland gegenüberzutreten und ihnen die Notwendigkeit der von der EU verordneten harten Einschnitte zu erklären. Doch die Kanzlerin kneift nicht. Der jetzige Zeitpunkt ist unbequemer denn je: Die einfachen Leute in Griechenland leiden am meisten unter Massenarbeitslosigkeit, Renten- und Gehaltskürzungen, während reiche Griechen ihr Geld ins Ausland schaffen, sich vor Steuern drücken und ihre Privilegien verteidigen. Merkel gilt vielen Griechen als verhasste Symbolfigur für die harten EU-Auflagen."

Laut Nürnberger Zeitung beweist die Kanzlerin mit ihrem Besuch in Griechenland "angesichts der Begleitumstände Mut". "Noch mehr Mut erfordert es, dem Druck ihrer Gastgeber nicht nachzugeben. Und das muss keineswegs zu Lasten der kleinen Leute gehen. Vorerst würde es durchaus genügen, wenn Athen endlich mit Privatisierungen in Milliardenhöhe ernst macht, die Reichen besteuert und sie daran hindert, ihr Geld ins Ausland zu schaffen."

"Merkels Trip nach Athen könnte die teuerste Reise werden, die zu der je ein deutscher Kanzler ins Ausland aufgebrochen ist. Die Retterin weckt, so oder so, Erwartungen, an denen sie sich hinterher messen lassen muss. Dennoch gab es einen triftigen Grund, sich gerade jetzt in den Flieger nach Athen zu setzen." Der Münchner Merkur benennt diesen: "In Europa braut sich was zusammen. Die Deutschen, heißt es von Lissabon über Madrid bis nach Paris und Brüssel, seien kalt, herzlos, egoistisch. Sogar den passenden Kronzeugen gibt es, seit Altkanzler Helmut Schmidt das infame Attribut 'national-egoistisch', gemünzt auf Merkels Europapolitik, ersann. Berlin droht in Europa die Isolierung. Nur in Athen, im Zentrum der Krise, glaubt die Kanzlerin die Zweifel am guten Willen der Deutschen ausräumen zu können."

"Die Kanzlerin will ein Zeichen der Solidarität setzen. Sagt der Regierungssprecher in Berlin. Angela Merkel reist heute nach 'Krisenland'. Hellas ist in Aufregung. Aber nicht, ob der Geschenke, die zu erwarten wären, sondern weil sich die Bundeskanzlerin überhaupt traut, die Höhle des Löwen zu betreten. Ein tausendfaches Großaufgebot an Sicherheitskräften ist vonnöten, um die deutsche Regierungschefin vor dem griechischen Zorn zu schützen. Ein Freundschaftsbesuch sieht anders aus. Die Kurzvisite gerät zu einer denkwürdigen Wutprobe", meinen die Westfälischen Nachrichten.

Quelle: ntv.de, zusammengestellt von Nadin Härtwig

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