Pressestimmen

Steinbach provoziert mit Polen-Äußerung "Billiger kann ein Versuch nicht sein"

Die Vertriebenen-Präsidentin Erika Steinbach zieht sich aus dem CDU-Vorstand zurück. Allerdings nicht ohne vorhergehenden Eklat. Steinbach hatte behauptet, Polen hätte bereits im Frühjahr 1939 mobil gemacht. Damit offenbart sie zum wiederholten Mal ihr "gestörtes Verhältnis zur deutsch-polnischen Geschichte" und stellt Merkel als Parteivorsitzende der CDU vor ein Problem.

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(Foto: dpa)

"Endlich hat Erika Steinbach erkannt, dass die Zeit über sie hinweggegangen ist", findet die Lüneburger Landeszeitung. Neu sei allerdings, "dass die Überzeugungs-Vertriebene die Verantwortung für die eigenen Worte übernimmt und sich nicht auf wieder auf die Position der missverstandenen Tabubrecherin zurückzieht." Aber sie wäre sich selbst nicht treu geblieben, wenn sie nicht auch ihren Rückzug aus dem CDU-Vorstand "zum Eklat hochstilisiert" hätte. "So spielt die Vertriebenen-Präsidentin wieder mit Halbwahrheiten, wenn sie den Stellenwert der polnischen Teilmobilmachung im März 1939 überbetont, ohne darauf zu verweisen, dass Hitler-Deutschland zu diesem Zeitpunkt bereits seit sechs Jahren den Krieg vorbereitete. Billiger kann ein Versuch nicht sein, die Geschichte umzuschreiben."

Mit ihren Äußerungen zur Mobilmachung Polens wird Steinbachs "gestörtes Verhältnis zur deutsch-polnischen Vergangenheit" einmal mehr deutlich, findet die Märkische Oderzeitung und erinnert: "Die Vertriebenenchefin fiel schon wiederholt mit ähnlichen Aussagen auf, etwa gegen die Oder-Neiße-Grenze oder die Aufnahme Polens in die EU. Das sind Aussagen, die in rechten Kreisen gut ankommen, aber gegen essenzielle Positionen deutscher Politik verstoßen. Steinbach bringt so auch ihre Partei, die CDU, immer wieder in Erklärungsnot."

Steinbach hat zu Recht Empörung geerntet, so das Urteil der Mittelbayerischen Zeitung (Regensburg), denn "es geht um mehr als um eine Frage der politischen Korrektheit. Es geht um die Wahrheit. Die Naturwissenschaftlerin Angela Merkel hat sich über Sarrazins Gen- Theorien vor allem deshalb erregt, weil sie schlicht falsch sind. Im Fall der Vertriebenenpräsidentin und ihrer umstrittenen Verbandskollegen geht es um die historischen Tatsachen, die verdreht werden. Der Hinweis auf die Teilmobilmachung Polens im März 1939 ist nicht anders zu verstehen als eine Relativierung der deutschen Kriegsschuld."

"Für die Kanzlerin ist das Problem Steinbach erledigt. Nicht aber für die CDU-Parteivorsitzende", konstatiert der General-Anzeiger aus Bonn, denn "die Vertriebenen-Chefin stellt - auf unqualifizierte Art - die Frage, wie intensiv die Union den politisch rechten Rand in der Gesellschaft abgrasen darf. Merkel will aus der CDU eine Volkspartei der Mitte formen. Auf dem Karlsruher Parteitag Mitte November wird sie Auskunft geben müssen, wie sie sich das vorstell. Ohne Frau Steinbach."

"In anderen Parteien würde nach derart geschichtsverdrehenden Äußerungen längst über einen Parteiausschluss diskutiert. Die Spitzen der Union im Bundestag aber scharten sich zunächst um die Provokateurin: Steinbach habe Deutschlands Schuld am Krieg nicht relativieren wollen, kein Anlass für weitere Diskussionen. Der Versuch, die Debatte über die Vertriebenen-Präsidentin im Keim zu ersticken, zeigt, wie sehr die CDU eine Erosion am rechten Rand befürchtet", erkennt die Neue Presse aus Hannover, denn "nach dem Rückzug von Roland Koch fehlt derzeit eine Identifikationsfigur für den konservativen Flügel."

Quelle: ntv.de, Zusammengestellt von Katja Sembritzki

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