"Der Mensch spielt jetzt nicht mehr Gott" Bundestag erlaubt PID
07.07.2011, 20:36 UhrDer Bundestag erlaubt in bestimmten Fällen den Gentest an Embryonen, spricht sich somit für eine begrenzte Zulassung der umstrittenen Präimplantationsdiagnostik aus. Für seine respektvolle Diskussion um die PID bekommt er viel Lob von der Presse. Die Angst vor "Designerbabys" bleibt bestehen, dennoch sprechen sich viele Stimmen für ein Vertrauen in den Menschen und seinen verantwortungsvollen Umgang mit den Möglichkeiten der Wissenschaft aus. Letztlich geht es um eine Gewissensentscheidung der betroffenen Personen. "Wer sich aber dafür entscheidet, sollte sich der Unterstützung der Gesellschaft gewiss sein", heißt es bei n-tv.de.
Die Berliner Zeitung lobt die Art der Debatte über die PID und begrüßt die Entscheidung des Bundestages: "Die Abgeordneten (...) haben weise entschieden. Sie haben für die begrenzte Zulassung der Präimplantationsdiagnostik in Deutschland votiert und damit eine Lösung gefunden, die vor allem den betroffenen Frauen entgegenkommt. In dieser Diskussion, in der es vor allem um Weltanschauungen geht, gibt es kein Richtig oder Falsch. Im besten Fall folgt auf den respektvollen Austausch der Meinungen - so wie (...) im Bundestag geschehen - eine Entscheidung, mit der eine pluralistische Gesellschaft wie die unsrige leben kann."
"Der Mensch spielt jetzt nicht mehr und nicht weniger Gott, als er es immer schon tat. Wer kann schon die tiefe Qual eines unerfüllten Kinderwunsches ermessen, außer den betroffenen Partnern? Wer wollte sich mit welchem Recht vor sie stellen und ihnen sagen: Ihr kriegt keine Kinder, auch wenn dies medizinisch möglich wäre?", fragt die Hessische/Niedersächsische Allgemeine und urteilt deshalb: "Die Entscheidung für eine Präimplantationsdiagnose in ihren eng beschriebenen Grenzen ist letztlich eine persönliche Gewissensentscheidung. Sie ist es übrigens genau wie die Entscheidung, auf eine Fruchtwasseruntersuchung zu verzichten und das werdende Kind unter allen Umständen anzunehmen, ganz gleich, ob es gesund oder krank zur Welt kommt. Verantwortung ist nicht delegierbar. Kein Gesetz nimmt sie uns ab, und kein Gesetz schützt uns vor ihr."
Die Landeszeitung aus Lüneburg reagiert weniger zufrieden, sie sieht "eine Tür einen Spalt weit geöffnet, die besser sicher verschlossen wäre". "Zwar stellen die Beschränkungen sicher, dass das genetische Screening nur zur Abwehr untragbaren Leids eingesetzt wird - allerdings nur für den Moment." Hinter der Entscheidung stehe eine gefährliche Philosophie, warnt das Blatt: "Das Recht wird an die wissenschaftlichen Möglichkeiten - und vielleicht sogar den gesellschaftlichen Mehrheitskonsens - angepasst. Was aber, wenn Genetiker künftig nach erwünschten und unerwünschten Eigenschaften selektieren können? Die Gefahr bleibt, dass dann die Tür zum Designerbaby aufgestoßen wird. Wer beginnt, den Lebenswert von Embryonen zu bestimmen, begibt sich auf eine schiefe Ebene. An deren Fuß droht die Wiederbelebung eugenischer Ideen von einer 'Höherzüchtung' des Menschen."
Die Frankfurter Rundschau spricht sich dafür aus, den Menschen im Umgang mit der neuen Diagnostik zu vertrauen: "Ein Dammbruch ist auch künftig nicht zu befürchten. Warum sollte eine Bevölkerung, die aus Sorge um künftige Generationen ihre Kernkraftwerke abschaltet, plötzlich Designerbabys in die Welt setzen wollen? Wer Dammbrüche beschwört, hegt zudem tiefes Misstrauen gegen seine Mitmenschen. Er entwirft das Bild einer Welt, in der letzten Endes das Schlechte über das Gute siegt, einer Welt voller moralischer Schwächlinge, die strenger Führung bedürfen."
"Ein Stopp für die PID hätte fatale Konsequenzen gehabt. Denn dann wäre dem Embryo im Labor ein absoluter Schutz zuerkannt worden, während er im Mutterleib nur einen abgestuften genießt", kommentiert der Kölner Stadt-Anzeiger und sieht in der begrenzten Zulassung der PID die moralisch richtige Entscheidung. Denn die Folge eines Stopps würde bedeuten: "Spätabtreibungen sind wegen einer festgestellten schweren genetischen Erkrankung des Kindes möglich, empfindungsunfähige Embryonen im Reagenzglas dürfen aber bei gleichen Erbschäden nicht aussortiert werden. Was wäre das aber für eine Moral, die sich nicht ihrer Folgen bewusst wird? Eine rigide, erstarrte, blinde Moral. Eltern wollen das Beste für ihr Kind. Sie versuchen viel, ihm optimale Startbedingungen für das Leben geben. Was ist daran verwerflich? Nichts."
Quelle: ntv.de, zusammengestellt von Nadin Härtwig