Öl-Embargo der EU gegen den Iran "Das ist die letzte Eskalationsstufe"
23.01.2012, 20:48 Uhr
Der Streit um das iranische Atomprogramm geht in die nächste Runde: Die Europäische Union stoppt ihre Öl-Einfuhren aus dem Iran. Die "beispiellosen Sanktionen" - so Bundesaußenminister Guido Westerwelle - sollen das Land dazu bringen, eine internationale Kontrolle seines umstrittenen Atomprogramms zuzulassen und damit auf Atomwaffen zu verzichten. Die EU-Außenminister beschlossen in Brüssel auch, die Konten der iranischen Zentralbank in Europa einzufrieren. Spätestens vom 1. Juli an sollen die Öl-Einfuhren aus dem Iran aufhören. Spitzt sich der Konflikt mit dem Iran damit weiter zu? Nach Ansicht des Rohstoff-Experten Axel Herlinghaus besitzt die Iran-Problematik "Sprengkraft" und auch die Kommentatoren der deutschen Zeitungen sind überzeugt: Der Import-Stopp wird nicht ohne Folgen bleiben – weder für den Iran noch für Europa.

Ein Teil des Azadegan Ölfeldes im Iran: Die EU-Staaten haben sich nach langem Ringen zu einem Ölembargo gegen das Land durchgerungen
(Foto: dapd)
Für die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) ist das europäische Öl-Embargo, das Sanktionen der Vereinigten Staaten gegen die iranische Öl-Industrie folgt, "von großer Bedeutung": "Es zeigt, dass die Europäer nicht gewillt sind, im Atomkonflikt mit Iran klein beizugeben; dass sie bereit sind, selbst wirtschaftliche Nachteile in Kauf zu nehmen, weil sie das Ziel, das Regime in Teheran von seinem Atomwaffenprogramm abzubringen, für wichtiger halten". Das Urteil des Kommentators aus Hessen zum Öl-Embargo lautet: "Zu Recht!".
"Die Europäische Union tut, was sie unter den gegebenen Umständen tun kann", ist im Kölner Stadt-Anzeiger zu lesen. Immerhin greife der Iran nach der Atombombe und gefährde damit die Stabilität im Nahen Osten und in Zentralasien: "Alle bisherigen Sanktionen, alle Gespräche und Initiativen konnten ihn davon nicht abbringen. Nun geht es den Amerikanern und den Europäern darum, den diplomatischen Druck weiter zu erhöhen". Trotz dieser Logik hegt die Zeitung aus Nordrhein-Westfalen offensichtlich Zweifel an dem Erfolg der neuen EU-Linie und fragt: "Was passiert, wenn sich Teheran trotz aller Widrigkeiten nicht von seinem Atomprogramm abbringen lässt?". Ihre Antwort: "Viel mehr als ein Öl-Embargo können die Europäer kaum beschließen. Man muss kein Prophet sein, um zu ahnen: Es kommt der Tag, an dem der Westen ernsthaft über militärische Optionen nachdenken wird".
Die Süddeutsche Zeitung geht mit dem Kölner Stadtanzeiger konform. Für das Blatt aus München bedeuten die Sanktionen der EU den Start in die "letzte Phase im Streit um die iranische Nuklearrüstung": "Mit ihren neuen Strafmaßnahmen gegen Teheran hat die Europäische Union ihre Sanktionskarte ausgereizt. Nun sollen die iranische Wirtschaft in ihrem Kern, dem Ölgeschäft, getroffen und die Zentralbank lahmgelegt werden - mehr geht nicht. Das ist die letzte Eskalationsstufe im Rahmen des bald ein Jahrzehnt andauernden Versuchs, den Konflikt friedlich beizulegen". Die Antwort der Bayern auf die Frage, was denn passiere, wenn sich Iran auch davon nicht beeindrucken lasse, lautet auch hier: "(…) dann blieben eigentlich nur noch militärische Mittel".
"Europa verfügt nicht gerade über das machtpolitische Kaliber, um die Mullahs im Iran das Fürchten zu lehren", werfen die Westfälischen Nachrichten ein. Dennoch, so das Blatt aus Münster, zeige der Wutausbruch in Teheran, dass die Sanktionen aus Brüssel nicht wirkungslos verpufften: "Iran bekommt die internationale Isolation zweifellos schmerzlich zu spüren. Die Inflation schießt in die Höhe. Aber auch Europa wird für die Eskalation zahlen: Alles hat seinen Preis. Öl wird noch teurer - auch wenn es nicht gleich zu einem Schock kommen muss, wie sich Teheran erhofft".
Angesichts des infolge des EU-Boykotts in die Höhe schnellenden Ölpreises schreibt der Mannheimer Morgen: "Natürlich ist das Öl-Embargo ein zweischneidiges Schwert". Dennoch gibt es nach Ansicht des Kommentators "keine Alternative zu den Sanktionen". Die Zeitung aus Baden-Württemberg hofft nun auf die "Vernunft" des Regimes: "Präsident Ahamdinedschad und Religionsführer Chamenei wissen, dass ihre Wirtschaft auf dem letzten Loch pfeift. Da ist jeder Petro-Euro unverzichtbar. Schon wollen auch die Chinesen den Ölpreis drücken. Endlich packt man den Iran an seiner schwächsten Stelle".
Quelle: ntv.de, zusammengestellt von Susanne Niedorf-Schipke