Pressestimmen

Ende des EU-Waffenembargos gegen Syrien "Das ist erbärmlich"

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Die EU-Außenminister kippen in Brüssel das Waffenembargo gegen Syrien - künftig darf wieder jedes EU-Land selbst entscheiden, ob es Waffen an die syrische Aufständischen liefert oder nicht. Bei den Kommentatoren der deutschen Zeitungen ruft der Beschluss Bitterkeit und Scham über die europäische Gemeinschaft hervor. Hubertus Vollmer von n-tv.de erkennt dabei vor allem in der Haltung Deutschlands eine "weltweit einmalige Heuchelei".

Ein Kämpfer der oppositionellen Freien Syrischen Armee.

Ein Kämpfer der oppositionellen Freien Syrischen Armee.

(Foto: picture alliance / dpa)

Für die Berliner Zeitung steht fest: "Die EU hätte in dem Konflikt eine ernsthafte Chance als Mittler übernehmen können. Diese Chance ist mit dem Beschluss zu Waffenlieferungen auf dem Schlachtfeld geopfert worden". Die langwierige Debatte an sich belege neben dem " Dilemma über die legitimen Mittel der europäischen Politik (…) auch, dass Europas Außenpolitik weiter nationalen Traditionslinien" folge. Europa hat nach Ansicht des Kommentators "also nicht nur in Syrien noch viel zu tun".

Die europäische Außenpolitik hat sich nach Ansicht der Süddeutschen Zeitung "nicht nur als unfähig erwiesen, schnell und entschieden auf Krisen zu reagieren. Sie hat auch noch keine Antwort darauf gefunden, dass die USA in dem für die Sicherheit Europas so wichtigen Mittleren Osten durch ihre Unentschlossenheit ein gefährliches politisches Vakuum produziert haben". Das Fazit aus München lautet: "Eine EU, die sich monatelang über Sanktionen zerstreitet, um das Waffenembargo dann entnervt fallen zu lassen, hat nicht die Statur, dieses Vakuum zu füllen. Es mag jenen, die von einer gemeinsamen Außenpolitik träumen, nicht gefallen, aber hier versuchen Franzosen und Briten zumindest eine Lücke zu schließen."

Für die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) hat die EU "bei einem großen sicherheitspolitischen Konflikt ein Maß an Uneinigkeit gezeigt, das beschämend ist und sie zum Gespött der Weltöffentlichkeit" macht. Auch das Blatt aus Hessen zollt der Geradlinigkeit der Franzosen und Briten Respekt: "Wie im Falle Libyen vor zwei Jahren geben sich Großbritannien und Frankreich zum Handeln entschlossen (Paris hat zudem in Mali eingegriffen), während der Rest unentschieden und hilflos wirkt oder grundlegende Einwände hat".

"Das Aufrüsten der syrischen Opposition ist zweifelsohne riskant. Niemand kann garantieren, dass die Waffen in die richtigen Hände gelangen", ist im Flensburger Tageblatt zu lesen. Für die norddeutsche Zeitung stellt sich umso mehr die Frage, ob Europa sich aus dieser zentralen außenpolitischen Frage heraushalten könne, "wenn einerseits Russland und der Iran das Assad-Regime mit Waffen versorgen und andererseits die Islamisten von den ideologischen Brüdern aus Saudi-Arabien und Katar beliefert werden": "Leer gehen die moderaten Oppositionskräfte aus, in die die EU doch ihre Hoffnungen für die Post-Assad-Ära setzt. In dieser Gemengelage versäumt es Europa, mit einer Stimme zu sprechen und zumindest durch die Androhung von Waffenlieferungen den Druck auf Assad zu erhöhen. Das ist erbärmlich".

Die Mitteldeutsche Zeitung sieht die EU als Ganzes in ihrer Position geschwächt: "Vielstimmigkeit führt selten zum Erfolg. Man mag das jetzt als Scheitern der EU-Außenpolitik bewerten. Doch folgt die einer alten Regel: Erfolge reklamieren die Mitgliedsstaaten für sich, Misserfolge führen sie auf die fehlende Regie der Hohen Beauftragten Catherine Ashton zurück". So zeige dann auch das Beispiel Syrien, dass die Außenpolitik in den Hauptstädten weiter in nationalen Denkmustern verlaufe. Das Fazit aus Halle: "Europa hat diesbezüglich noch viel zu tun".

Für die Rhein-Neckar-Zeitung "besteht kaum Grund zur Aufregung". Der Kommentar aus Heidelberg ist bissig: "Schon vor der Nacht auf Dienstag gab es keine EU-Außenpolitik. Und in der Nacht selbst wurden die letzten Reste davon durch die zuständigen Minister zertrümmert. Waffen für Aufständische in Syrien? Kann liefern, wer will. Völlig egal, ob der Bürgerkrieg damit weiter angeheizt wird. Dass diese Enthemmung auch noch als 'Kompromiss' verkauft wird, der Schlimmeres verhindert konnte - das ist ein Witz".

Quelle: ntv.de

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