Pressestimmen

Obamas Besuch in Polen "Die Amerikaner zeigen Flagge"

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Bei seinem Besuch in Polen sichert Obama dem Land seine Unterstützung zu und drängt die Nato auf zusätzliche Rüstungsausgaben. Damit setzt der US-Präsident ein Zeichen gegen die Ukraine-Politik Russlands, das in der deutschen Presse auf ganz unterschiedliche Reaktionen stößt.

Die Volksstimme aus Magdeburg bewertet den Sicherheitsplan des US-Präsidenten äußerst kritisch. So sei "die Ankündigung erhöhter Truppenpräsenz in Osteuropa ein Rückfall in die Steinzeit". Auch wenn die Ukraine-Krise nicht dazu angetan sei "Friedenstauben aufsteigen zu lassen", würden die Rüstungspläne Obamas die Lage nur verschärfen: "Unter der Teilung hat Europa in den fast 50 Jahren des Kalten Krieges schwer gelitten. Jetzt droht eine neue scharfe Spaltung in eine westliche und eine russische Einflusssphäre. Einschließlich teurer Aufrüstung auf beiden Seiten. Die deutsche Verteidigungsministerin wollte Kindergärten bauen - nun wird sie doch Geschütze kaufen müssen", kommentiert das Blatt abschließend.

Auch der General-Anzeiger aus Bonn fürchtet angesichts der jüngsten Entwicklungen ein Wettrüsten zwischen der Nato und den USA: "Mehr US- und Nato-Truppen im Baltikum und angrenzenden Staaten werden Moskau zu spiegelverkehrten Maßnahmen einladen. Obamas Appell an die übrigen Nato-Mitglieder in der EU, endlich ihre Verteidigungsausgaben zu erhöhen, birgt das Risiko eines neuen Wettrüstens. Ob das der Sicherheit Polens und Europas wirklich zuträglich ist?"

"Auf lange Sicht dürfte Obamas Auftritt in Polen einen Wendepunkt markieren", kommentiert der Münchner Merkur den Besuch des US-Präsidenten. Durch die Ereignisse auf der Krim, schreibt das Blatt weiter, habe die Nato neuen Aufwind erhalten - ganz zum Nachteil Putins: "Wenn die Nato-Partner sich jetzt auf ihre ursprüngliche Aufgabe besinnen, den Westen im transatlantischen Schulterschluss vor Aggressionen von außen zu schützen, wenn die USA ihren auf Asien verengten Blick wieder auf Europa ausweiten und die Regierungen erstmals seit Jahren ernsthaft über ihre Verteidigungsetats nachzudenken beginnen, dann ist das allein Putin geschuldet. Wäre er der große Stratege, für den ihn viele halten, dann würde er jetzt die Deeskalationsphase einleiten."

Die Welt zieht einen historischen Vergleich: "Im Gefühl der Bedrohung, im Verlangen nach Schutz und Schirm lassen sich Polen, Lettland, Litauen und Estland mit West-Berlin zur Zeit des Kalten Krieges vergleichen. Heute gibt es zahlreiche West-Berlins." Diese lägen in Osteuropa und zitterten vor einer Macht, "die seit geraumer Zeit ihr Angriffspotenzial jährlich erhöht". Aus diesem Grunde befürwortet die Zeitung aus Berlin Obamas Forderung nach einer größeren Präsenz der Nato-Truppen in Osteuropa: "Die Amerikaner zeigen Flagge in Polen und im Baltikum, ohne die Kriegsgefahr zu erhöhen. Klug ist das, und mit Blick auf die Bündnissolidarität angemessen." Nun müssten die Europäer tätig werden, fordert das Blatt: "Es ist peinlich, dass sich die alten Nato-Mitglieder nicht aufraffen können, mehr für die Verteidigung Europas auszugeben. Wenn sie so weitermachen, wird der Tag kommen, an dem ein US-Präsident sich abwendet. Europa wird dann mit Russland allein sein."

Der Reutlinger General-Anzeiger sieht angesichts der historischen Gegebenheiten besonders Deutschland unter Zugzwang: "Besonders die baltischen Staaten und Polen fühlen sich von Moskau bedroht. Estland und Lettland haben große russische Minderheiten, und Balten wie Polen waren die Leidtragenden des berüchtigten Hitler-Stalin-Paktes von 1939. Gerade aus diesem Grund wird Deutschlands Zurückhaltung gegenüber Moskau von ihnen überhaupt nicht gutgeheißen."

Die Badischen Neuesten Nachrichten vergleichen den Sicherheitsplan des US-Präsidenten mit der bisherigen Strategie der Nato: "Wenigstens auf den US-Präsidenten können sich die östlichen Nato-Staaten verlassen, der ihnen nun massive finanzielle und personelle Militärhilfe verspricht. Gegen das Angebot Obamas wirkt das ganze bisherige Vorgehen der Nato hasenfüßig - ganz genauso wie es sich Putin wahrscheinlich ausgerechnet hat. Minenboote für die baltische See, die Verlegung von einigen Kampfjets, einige kleinere Manöver und nun die Ankündigung, einen Kommandostab in Stettin personell besser auszustatten - das soll bereits alles gewesen sein?"

Zusammengestellt von Aljoscha Ilg

Quelle: ntv.de

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