Pressestimmen

Deutschland hat gewählt "Die politische Mitte wird neu besetzt"

So strahlt ein Gewinner: Guido Westerwelle holte mit der FDP ein Traumergebnis.

So strahlt ein Gewinner: Guido Westerwelle holte mit der FDP ein Traumergebnis.

(Foto: REUTERS)

"Die schwarze Volkspartei verblasst so, wie die rote schon verblasst ist." Die Presse findet eine Überschrift für die Wahl und spricht vom "Niedergang der Volksparteien".

"Der Niedergang der Volksparteien ist die Überschrift dieser Wahl, er hat die SPD zu einem Schatten ihrer selbst gemacht", reagiert die Frankfurter Rundschau auf den Ausgang der Bundestagswahl. Sie sieht die Sozialdemokratie "vor existenziellen Umwälzungen". Sollte sie diese Situation weiter zu ertragen suchen, sich bei jeder Wahl in eine Koaliton retten wollen, werde sie "den Status einer Volkspartei endgültig verlieren". Nach elf Regierungsjahren stehe die Sozialdemokratie "mit begrenztem Spitzenpersonal vor einem Neuanfang". "Wie begrenzt das Personal ist, sieht man daran, dass Frank-Walter Steinmeier trotz des historischen Debakels bleiben soll. Mit oder ohne ihn muss die SPD mit einer taktischen und programmatischen Offensive einen Teil der Linken-Wähler zurückgewinnen. Es ist ihre Chance in der Opposition. Ihre einzige."

"Angela Merkel und Guido Westerwelle haben ihr Ziel erreicht. Es heißt Politikwechsel. Sie haben im Wahlkampf alles richtig gemacht. Der Wähler hat das Missverständnis von 2005 korrigiert, wonach eine Große Koalition die kraftvollste Regierungsform sei", kommentiert die Rhein-Neckar-Zeitung. Jedoch erwarte die "schwarz-gelbe 'Tigerente' eine "bisher nie gekannte Herausforderung". "Sie muss die soziale Marktwirtschaft wieder gegen einen zerstörerischen Raubtierkapitalismus durchsetzen. Angesichts eines historischen öffentlichen Schuldenberges und einer noch drohenden Heckwelle der Krise muss sie kreativ und gerecht Zukunft gestalten. Und ihr Motto wird lauten: Nicht alles ist möglich. Auch nicht alles, was versprochen wurde."

Die Mitteldeutsche Zeitung betrachtet die Stellung der Linken: "Auch wenn die Linke im Westen der Republik allmählich Fuß fasst, hat dieser Wahlsonntag wieder die Verankerung der Partei in den neuen Ländern belegt. Hierzulande haben die Wähler für ein stabiles linkes Fundament als Gegengewicht zu einer schwarz-gelben Bundesregierung gestimmt. Das dokumentiere die Sorge, "dass gerade die in vielen Branchen schwächelnde Ost-Wirtschaft die Belange der Arbeitnehmer in schwierigen Zeiten vernachlässigen könnte". Für das Blatt aus Halle scheint diese Überlegung zwar nachvollziehbar, jedoch schwer zu begründen. "Was der Wirtschaft in den vergangenen vier Jahren vor allem gefehlt hat, waren von der Politik verlässlich gesetzte Rahmenbedingungen. Das dürfte sich unter Schwarz-Gelb ändern. Besonders auch deshalb lautet die Botschaft des (...) Sonntags: Deutschland hat den Wechsel gewählt - gut so."

Die Süddeutsche Zeitung rückt die Person Angela Merkels in den Mittelpunkt ihres Kommentars. Sie habe nun "die Koalition, die sich ihre Partei gewünscht hat". "Der Kanzlerin schmeckt die kleine Koalition nicht, aber sie muss so tun, als ob es so wäre. Künftig kann sie sich nicht mehr hinter der SPD verstecken. Spielt die Kanzlerin weiter die Rolle der Mutti der Nation, hat sie Schwierigkeiten mit der FDP und mit ihrer Partei. Wird sie aber zur eisernen Lady, verliert sie ihr Renommee und ihre Reputation in der Bevölkerung. Das heißt: Die goldenen Zeiten der Angela Merkel sind vorbei." Lange habe die CDU nun von der Schwäche der SPD profitiert und daraus ihre Stärke bezogen, "es war eine geliehene Stärke". "Der Verfall der SPD ließ die Union stärker aussehen, als sie war: Die CDU erodiert, die CSU in Bayern auch. Die schwarze Volkspartei verblasst so, wie die rote schon verblasst ist. Die politische Mitte wird neu besetzt - mit den mittelgroßen Parteien."

"Trotz Westerwelle, trotz FDP: Die neoliberale Wende steht nicht bevor. Angela Merkel ist in der großen Koalition zu einer vorsichtigen, tastenden Kanzlerin geworden, die allen radikalen Maßnahmen widersteht", glaubt die Berliner Zeitung. "Ihr pragmatisch-vorsichtiger Regierungsstil wird sich nicht grundlegend ändern, Angela Merkel ist nicht die Kanzlerin des politischen Abenteuers, auch nicht die des wirtschaftsliberalen Aufbruchs. In ihrer Partei und in der CSU vertreten Leute wie Horst Seehofer und Jürgen Rüttgers Positionen, die nicht weit von sozialdemokratischem Gedankengut entfernt sind. Sollten Westerwelle und seine Leute also tatsächlich die alten, in der Wirtschafts- und Finanzkrise diskreditierten Rezepte aus der Schublade holen, sie hätten mit dieser Union keine Chance, ihre Pläne zu verwirklichen. Aber selbst Westerwelle ist ja klüger geworden."

Quelle: ntv.de, Zusammengestellt von Nadin Härtwig

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