Missbrauch der Abwrackprämie "Ein Fehler der Koalition"
05.08.2009, 20:42 Uhr
Der Bund der Kriminalbeamten (BDK) schätzt die Zahl der weiterverkauften Abwrackautos auf fünf bis zehn Prozent.
(Foto: picture-alliance/ dpa)
Bei der Abwrackprämie gibt es nach Einschätzung von Experten massiven Betrug. Autoverwerter sollen bis zu 50.000 Altwagen illegal weiterverkauft haben. Für die Presse ist diese Nachricht alles andere als überraschend – ist das Problem doch bereits seit Monaten bekannt. Sie sieht den eigentlichen Skandal in der Untätigkeit der Bundesregierung.
"Wozu gibt es Regeln, wenn man sie umgehen kann", fragt der General Anzeiger ganz ungeniert. Für das Bonner Blatt kommt der Missbrauch alles andere als überraschend: "Man verschrotte das Altauto, wenn auch nur auf dem Papier, kassiere 2500 Euro Abwrackprämie vom allzu großzügigen Staat und verkaufe den Altbestand schließlich Gewinn bringend unter der Hand. Ein wunderbares Geschäft. Merke: Es gibt kaum ein Förderprogramm, bei dem sich der Förderer nicht austricksen ließe. Über Moral muss man dabei ohnehin nicht reden."
Die Berliner Zeitung reagiert gereizt: "Das Gerede von der Umweltprämie war schon immer Etikettenschwindel, denn nicht zum Schutz der Umwelt werden die Autofahrer geködert, von ihrem eventuell nur wenig Sprit verbrauchenden, aber alten Kleinwagen auf einen eventuell sehr viel mehr verbrauchenden, aber bisher unverkäuflichen Neuwagen umzusteigen. Ginge es dem Gesetzgeber um Umweltschutz, dann würde er auch nicht dulden, dass die Altwagen in Afrika unabgewrackt die Luftverschmutzung fortsetzen, sondern das Abwracken kontrollieren. Doch darum ging es nicht und geht es nicht. Es geht um Wirtschaftsförderung. Die Förderung der Kriminalität, die sich damit in diesem Fall verbindet, wird stillschweigend in Kauf genommen: Was der Markt zusammengeführt hat, das soll, das will der Staat nicht scheiden."
"Dass das Betrügen mehr als leicht gemacht wurde, zählt ebenso zu den Geburtsfehlern der Abwrackprämie wie die nicht bedachten Spätfolgen, die im Eifer des Gefechts übersehen wurden", kommentiert das Mindener Tageblatt die Situation. So wie bereits jetzt das Reparatur- und Ersatzteile-Gewerbe an den Folgen der Absatzprämie leide, werden in Zukunft auch die zunächst noch profitierenden Händler und Hersteller daran zu knabbern haben, heißt es hier. Vorgezogene Käufe seien eben keine zusätzlichen. "Die Abwrackprämie mag in der Absturz-Dramatik der Krise ihre gewünschte Stimulanz-Funktion vorerst erfüllt haben, das dicke Ende dieses wenig durchdachten massiven Markt-Eingriffs allerdings steht erst bevor."
Der Trierische Volksfreund verweist auf die Haltung der Bundesregierung, die "durchaus den Missbrauch in Kauf genommen" habe. "Der Schrottpreis ist dank der Prämie in den Keller gerutscht, da ist die Verlockung groß, die Altautos zu verschieben, um überhaupt noch etwas zu verdienen. Hinzu kommt: Wer Betrug verhindern will, muss die Kontrollen der rund 1200 Betriebe verstärken. Seit Jahren herrscht aber in Bereichen wie den Wirtschaftskontrolldiensten personeller Mangel, es gibt Schrotthöfe, die zum Teil noch nie überprüft worden sind. Auch der mit der Prämie gekoppelte Neuwagenkauf bietet nach wie vor massive Manipulationsmöglichkeiten. Es war ein Fehler der Koalition, auf eine Mindestzulassungsdauer des neu gekauften PKW zu verzichten. Aber nur so hätte einem gewinnbringenden Weiterverkauf unmittelbar nach Antragstellung der Umweltprämie ein Riegel vorgeschoben werden können."
Ähnlich sieht es auch die Westdeutsche Zeitung: "Die Löcher, die zu stopfen sind, sind bekannt und die Schwachstellen im System ebenso. Kriminelle können wählen, ob sie den Oldie über die Ostgrenze nach Polen oder via Hamburg nach Afrika verschieben. Oder erneut in Deutschland zulassen - im Zeitalter des Computers gibt es bei deutschen Behörden offenbar keine Verzahnung von Abmeldung, Abwrack-Nachweis und Neuanmeldung von Kraftfahrzeugen."
Die Märkische Oderzeitung schreibt zum Missbrauch bei der Abwrackprämie: "Was scheren Bedenken, wenn es gilt, Handlungssicherheit vorzugaukeln? So wie bei der Abwrackprämie. Blinder Aktionismus ist leider auch taub. Das wäre alles nicht so schlimm, wenn da nicht Milliarden von sauer verdienten Steuergeldern daran hingen. So, wie sich der Staat beim Bürgschafts-Risiko für Banken über den Tisch hat ziehen lassen, hat auch die Abwrackprämie ihre Tücken." Das Blatt aus Frankfurt (Oder) weist darauf hin, dass Kritiker bereits im Januar aufgezeigt haben, wie einfach es ist, offiziell abgewrackte Autos weiterzuverkaufen: "50.000 Missbrauchsfälle - wohl nur die Spitze des Eisberges. Schlimmer noch: Trotz Zusicherung, die Modalitäten zu ändern, ist nur wenig geschehen. Denn laut BKA ist die Rechtslage so unsicher, dass diese Fälle nicht als Straftatbestand gelten können."
Auch die Pforzheimer Zeitung sieht den eigentlichen Skandal in der Untätigkeit der Bundesregierung: "Über den zweifelhaften Umweltnutzen der Abwrackprämie kann man sich ärgern. Der wahre Skandal aber ist, dass auf politischer Ebene ein halbes Jahr lang nichts passiert ist, obwohl bekannt war, wie leicht es ist, die Prämie einzustecken und die Autos trotzdem weiterzuverkaufen. Hier fließt Steuergeld, das zuvor von hart arbeitenden Bürgern erwirtschaftet wurde, in kriminelle Kanäle. Und Peer Steinbrücks 'Dem wird man nachgehen müssen' macht nicht viel Hoffnung, dass sich daran etwas ändert. Übersetzt heißen die Worte des Bundesfinanzministers wohl: Soll sich drum kümmern wer will."
Zusammengestellt von Susanne Niedorf
Quelle: ntv.de