Pressestimmen

Romney hält seine Antrittsrede "Ein kastrierter Kandidat"

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Mitt Romney hat seine erste Rede als frisch gekürter Kandidat auf die US-Präsidentschaft gehalten. In Deutschland schauen viele kritisch auf den konservativen Mormonen. Doch am Tag nach der Rede wollen viele Kommentatoren erst einmal abwarten, und warnen vor einer pauschalen Ablehnung.

So schreibt die Berliner Morgenpost: "Hüten wir uns bei Mitt Romney vor vorschnellen Urteilen. Schon einmal haben wir uns über einen Präsidentschaftskandidaten lustig gemacht. Der war auch Republikaner. Er hieß Ronald Reagan. Und hat mit Michail Gorbatschow das Wettrüsten zwischen Ost und West beendet und die Weichen für die deutsche Wiedervereinigung gestellt. Erst die Amtsführung beweist, wie fähig ein Präsident wirklich ist."

Die Stuttgarter Nachrichten bemühen sich, die Sicht der Republikaner nachzuvollziehen: "Ohne Zorn und Bitterkeit appellierte Mitt Romney an die große Schar enttäuschter Obama-Wähler, ging polarisierenden Themen zumeist aus dem Weg und wirkte, als er über sich und seine Familie sprach, nicht so reserviert wie sonst. Sein Fünf-Punkte-Plan zur Schaffung von zwölf Millionen Arbeitsplätzen blieb zwar recht dünn. Aber eine Wahlkampfrede ist kein Regierungsprogramm. Zudem wies Romney nicht ungeschickt die Angriffe auf seine erfolgreiche Karriere als Investor zurück, die Obama seit langem ausschlachtet, um ihn als kalten Job-Killer hinzustellen. Der Kandidat bestätigte das uramerikanische Credo: Es ist in Ordnung, gescheit, erfolgreich und reich zu sein."

Die Rhein-Neckar-Zeitung will abwarten, wie sich Romney im weiteren Wahlkampf schlägt: "Man wird sehen, ob es etwas ändert an dem Bild, das viele Amerikaner nun einmal von Romney haben: Unwillkürlich lässt er sie an den Boss denken, der einen in schwierigen Zeiten feuert. Sein Reichtum schafft Distanz, auch wenn die USA europäischen Neid nicht kennen. Kurzum, bei den Sympathiewerten kann der Republikaner seinem Rivalen nicht das Wasser reichen, woran sich bis zum November wohl kaum etwas ändern wird. Dennoch kann er gewinnen, dann nämlich, wenn ihn eine Mehrheit für kompetenter hält als den Amtsinhaber."

Mit dem schmalen Grat von Romneys Wahlkampfkurs beschäftigt sich auch die Frankfurter Rundschau: "In seiner Rede beim Parteitag in Tampa erwähnte er seine Gouverneurszeit in Massachusetts lediglich einmal. Romney weiß, dass seine Partei so weit nach rechts gerückt ist, dass sie nichts von seiner liberalen Agenda wissen will. So schweigt er über seine politischen Erfolge. Das ist verrückt. Romney ist ein kastrierter Kandidat."

Die britische Zeitung The Times verweist auf die angekündigten Sparprogramme von Romneys Vize Ryan, die generell positiv bewertet werden: "Nach der jüngsten Version der Sparpläne Ryans würden die Ausgaben für die Krankenversicherung für arme Menschen gekürzt, doch am stärksten gekürzt würden Ausgaben für unzählige Regierungs-Behörden und -Programme, angefangen bei Subventionen für Landwirte bis hin zum Bildungsministerium. In der Praxis wären derartige Pläne politischer Selbstmord für beide Parteien. Dennoch hat Ryan damit die glühende Bewunderung der konservativen Finanzexperten der Republikaner errungen, ebenso wie widerwilligen Respekt in Kreisen der Demokraten. Präsidentschaftskandidat Mitt Romney muss diesem Wahlkampf noch sein Markenzeichen aufdrücken, doch Ryan hat sein Markenzeichen mit Gewissheit schon seiner Partei aufgedrückt."

Die russische Zeitung Wedomosti geht auf die Polemik Romneys zur Russlandpolitik Obamas ein: "Mitt Romneys russlandkritische Töne sind vor allem an die konservativen Wähler in den USA gerichtet, denn über eine wirkliche Strategie im Umgang mit Moskau verfügen die Republikaner nicht. Wer genau hinhört, macht sogar sanftere Worte aus als noch im vergangenen Wahlkampf. Romney, so scheint es, geht es weniger um eine Vorherrschaft der USA in der Welt, sondern um das Lösen innenpolitischer Probleme. Zudem hat Washington im Moment außenpolitisch größere Sorgen als Russland – zum Beispiel China, den Nahen Osten, Iran, Afghanistan, Nordkorea und die mögliche Destabilisierung in Venezuela. Vielleicht würde die Temperatur zwischen den USA und Russland sinken, falls Romney ins Weiße Haus einzieht. Einen Rückfall in den Kalten Krieg würde dies aber nicht bedeuten."

Quelle: ntv.de, tes

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