Die Causa Hoeneß "Endlich ein Thema"
22.04.2013, 21:50 Uhr
Für Frau Merkel ist der Fall Hoeneß brenzlig.
(Foto: dpa)
Soll man Uli Hoeneß gegen seine Kritiker in Schutz nehmen oder soll man ihn anklagen als gefallenen Moralapostel? Die Zeitungen machen beides - und sie beleuchten die Folgen seines Falls für die Politik. Schließlich ist der Fall Hoeneß die beste Vorlage, die beste Vorlage, die sich Peer Steinbrück im Wahlkampf wünschen konnte". Seinen Rücktritt fordert übrigens niemand.
Die Leipziger Volkszeitung schreibt: "Endlich ein Thema. Für die SPD ist die Steueraffäre von FC Bayern-Boss Uli Hoeneß ein unverhofftes Wahlkampfgeschenk. Das gilt für den Bund ebenso wie für Bayern, wo ebenfalls im September gewählt wird. Die CSU und Hoeneß waren eng verbunden. Klar, dass der Partei jetzt die Nähe zum bekennenden Steuerhinterzieher schadet. Noch größer aber sind die Folgen auf Bundesebene. Die SPD mit ihrem Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück hat den Kampf gegen Steuerbetrug als ein Top-Thema für den Wahlkampf auserkoren. Dank Hoeneß ist es jetzt in aller Munde. Und der Vereins-Patriarch ist zugleich Kronzeuge dafür, dass die Gerechtigkeit eher ein Genosse ist."
Die Nürnberger Zeitung stellt klar: "Menschen wie Uli Hoeneß würden wohl niemals auch nur eine Tafel Schokolade klauen. Und die Schweizer Banken würden niemals ihre Computer bereitstellen, um damit irgendwo auf der Welt illegal Staatskonten zu leeren. Doch beim Thema Steuerhinterziehung arbeiten beide Seiten, tatkräftig unterstützt von Teilen der deutschen Finanzwirtschaft, seit Jahrzehnten Hand in Hand. Es fehlte das Unrechtsbewusstsein. Doch langsam dreht sich der Wind. Steuerhinterziehung wird nicht mehr als Kavaliersdelikt wahrgenommen, Steuerhinterzieher als das gebrandmarkt, was sie sind: Diebe, die ehrlichen Steuerzahlern das Geld aus der Tasche ziehen."
Die Süddeutsche Zeitung kommentiert: "Die Selbstanzeige ist eine Art Notlandung für Steuerhinterzieher. Bei einem Flugzeug weiß man sofort nach der Notlandung, ob sie geklappt hat. Im Fall der steuerrechtlichen Notlandung von Hoeneß wei ß man das noch nicht - weil die Selbstanzeige so kompliziert ist. Es reicht nicht mehr, Reue zu zeigen und zu zahlen; es müssen die gesamten irgendwie steuerlich relevanten Verhältnisse penibel aufgezeigt werden. Die Selbstanzeige ist zu juristischer Artistik (geworden). Im Fall Hoeneß wird sich der Streit darum drehen, ob sie den Anforderungen genügte. Entweder Hoeneß hat die Selbstanzeige hingekriegt; dann ist er aus dem Schneider. Oder ... nicht; dann steht er mit einem Fuß im Gefängnis."
Der Münchner Merkur meint: "Zum 'Schutzpatron der Steuersünder' hat die SPD Bayerns Finanzminister Söder ernannt. Richtig ist: Der CSU kommt der Fall Hoeneß höchst ungelegen. Just in der heißen Wahlkampfphase richten sich alle Scheinwerfer auf die im Freistaat massenhaft fehlenden Steuerfahnder und Betriebsprüfer. Schon Franz Josef Strauß hielt einst seine schützende Hand über den von ihm gehätschelten Standort Bayern. Zu viele lästige Steuerfahnder, so sein Credo, könnten scheue Firmeninhaber vertreiben. Eine solch laxe Politik hat der Freistaat nicht mehr nötig. Söder hat zu Recht ein Steuer-FBI gegründet. Er sollte noch viel mehr Geld für den Ausbau seines Fiskus in die Hand nehmen."
Die Frankfurter Allgemeine Zeitung nimmt Merkel in den Blick: "Die Bundeskanzlerin hat schnell auf der Gegentribüne Platz genommen. Es zahlt sich für Politiker zwar aus, bei Fußballspielen im Stadion als Menschen aus Fleisch und Blut beobachtet zu werden. ... Für Frau Merkel ist der Fall Hoeneß aber auch deshalb so brenzlig, weil sich hier ein Sportmanager als der CSU nahestehender 'homo politicus' feiern ließ. ... Die 'traurigen Facetten' des Präsidenten von Bayern München, die das Kanzleramt entdeckte, erstrecken sich nämlich vor allem auf die Begründung der Selbstanzeige von Uli Hoeneß. Dass er die 'Angelegenheit' ursprünglich über das von der Koalition geplante, im Bundesrat aber an SPD und Grünen gescheiterte Steuerabkommen mit der Schweiz 'regeln' wollte, ist die beste Vorlage, die sich Peer Steinbrück im Wahlkampf wünschen konnte."
Das Mindener Tageblatt schließlich macht eine Bemerkung am Rande: "Uli Hoeneß dürfte in seinem bisherigen Leben weitaus mehr Steuern gezahlt und Spenden geleistet haben als die meisten Menschen, die sich jetzt so wunderbar moralisch über ihn erheben können. Was nichts daran ändert, dass er für das zur Rechenschaft gezogen werden muss und wird, was er daneben vorenthielt. Seinen eigenen Ruf des streitbaren aber redlichen Unternehmers ruiniert zu haben, wird nicht der geringste Teil der Strafe sein. Denn auch darüber kann man nicht streiten: Was (Steuer-)Recht ist. Für politische Grundsatzdiskussionen allerdings eignet sich die Causa Hoeneß kaum; für solche über menschliches Fehlverhalten schon."
Quelle: ntv.de