Israels neuer Verteidigungsminister "Er betreibt Politik mit der Abrissbirne"
26.05.2016, 21:37 Uhr
(Foto: picture alliance / dpa)
Ministerpräsident Benjamin Netanjahu ernennt den ultranationalistischen Avigdor Liebermann zum Verteidigungsminister. Für die deutsche Presse löst diese Entscheidung nicht nur national Unruhe aus, sondern verschlechtert zusätzlich das ramponierte Verhältnis zu den USA. Denn Liebermann ist in der Vergangenheit immer wieder mit harschen anti-arabischen Parolen in Erscheinung getreten. Seine Ernennung macht einen Siedlungsstopp oder eine Zwei-Staaten-Lösung fast unmöglich.
Die Stuttgarter Zeitung sieht in der Ernennung von Liebermann zum Verteidigungsminister eine folgenschwere Entscheidung für das Verhältnis zu den USA: "Dass ausgerechnet Avigdor Lieberman, der bisher durch sein impulsives Temperament, draufgängerische Sprüche und antiarabische Ressentiments auffiel, den rechten, aber aufrechten und militärisch erfahrenen Mosche Jaalon ersetzt, hat viel Unruhe ausgelöst. Nicht nur im israelischen Sicherheitsapparat, auch im konservativen Lager und auf internationaler Ebene. Diese Personalwahl trägt weder dazu bei, Israels ramponiertes Verhältnis zu den USA zu kitten, noch schafft sie Vertrauen."
Für die Kommentatoren der Süddeutschen Zeitung wird ein Mann Verteidigungsminister, der Netanjahu gerade in seine Machenschaften passt: "Die Armee, in der jeder junge Israeli dient, ist der größte gemeinsame Nenner dieses Volkes. Bislang war es selbstverständlich, sie aus den politischen Ränkespielen herauszuhalten. Nun aber wird ein Mann zum Verteidigungsminister ernannt, der stets Politik mit der Abrissbirne betrieben und zur eigenen Profilierung gerade erst den Moralkodex der Armee verhöhnt hat, als er einen wegen Totschlags angeklagten Soldaten zum Helden erhob. Er bekommt dieses verantwortungsvolle Amt, weil es gerade ins Machtspiel passt. Das ist ein verheerendes Signal - und zugleich sehr konsequent."
Die Frankfurter Rundschau urteilt:"Mit der rechtsgestrickten Regierung Netanjahus wird ein Siedlungsstopp oder gar ein Abzug aus den besetzten Gebieten nicht zu machen sein. Zu ihr gehören schließlich neben Lieberman auch die Ultranationalisten um Naftali Bennett und eine Menge Hardliner aus dem Likud - allesamt Gegner einer Zwei-Staaten-Lösung. Im Falle eines Koalitionsbeitritts von Herzogs Arbeitspartei hätte die Sache anders ausgesehen, doch den hat Netanjahu nachhaltig verprellt. Stattdessen hat sich Israels Regierungschef mit latent antidemokratischen Kräften verbündet, die er kaum kontrollieren kann."
Quelle: ntv.de