Griechenland unter Druck, Italien im Visier "Es geht ans Eingemachte"
20.09.2011, 21:01 Uhr
Die Wachstumsaussichten düster, die Sanierungsmaßnahmen halbherzig - in der Schuldenkrise der Eurozone lauern die Gefahren einer Rezession. Nicht nur Griechenland macht weiter Sorgen, die Rating-Agentur Standard & Poor's (S&P) straft nun auch noch Italien ab: Die Kreditwürdigkeit des Landes wird von "A+" auf "A" gesenkt – und das, obwohl das italienische Parlament erst vor wenigen Tagen Einsparungen in Höhe von 54,2 Milliarden Euro verabschiedet hat. Begründet wird die Herabstufung mit der schwachen Konjunktur und der wackligen Regierungskoalition.
Auch wenn die Argumente der Experten von Standard & Poor's den Kölner Stadt Anzeiger "nicht wirklich" überzeugen, so entlarven sie nach Ansicht des Blattes in ihrem Gutachten jedoch "Berlusconis 60-Milliarden-Euro-Sparprogramm für den Staat als das, was es im Wesentlichen ist: Wunschdenken". Die Herabstufung von S&P darf nach Ansicht des Blattes "deshalb getrost als Weckruf an den Lebemann und Milliardär gewertet werden: Kümmer' Dich endlich wirklich um Dein Land!".
Ähnlich sieht das auch der Reutlinger General-Anzeiger: "Wie der Blitz aus heiterem Himmel kam der Bannstrahl nicht. (…) Silvio Berlusconi darf die Rote Karte ruhig persönlich nehmen. Außerhalb der Grenzen Italiens versteht der Zeitgenosse eh nicht, warum er noch im Amt ist".
Für den Mannheimer Morgen erhält Berlusconi, der sich in der Vergangenheit mehr um wilde Bunga-Bunga-Partys mit zwielichtigen Damen als um die Sanierung der Staatsfinanzen gekümmert habe, die Quittung: Ob die Herabstufung 'gerecht' ist, spielt für die Kommentatoren der baden-württembergischen Tageszeitung "keine Rolle, zumal 'A' nicht für 'Ramsch'" stehe. Psychologisch sei das schlechtere Rating aber "Gift", betonen die Kommentatoren: "Das Auf und Ab des Euro-Kurses spricht eine klare Sprache. Nicht nur Standard & Poor's hat Zweifel am Sparwillen der Regierung, zumal es ja auch Widerstände in der Bevölkerung gibt. Gerade weil Berlusconi am Ende seiner Karriere steht, ist nicht zu erwarten, dass der Cavaliere eine 'Blut, Schweiß und Tränen'-Wende vollzieht".
"Der Herkulesaufgabe, die Missstände mit Reformen wie in Griechenland anzupacken, sind die italienischen Politiker nicht gewachsen", konstatiert die Frankfurter Allgemeine Zeitung. In der Begründung heißt es: "Berlusconi fehlt die Glaubwürdigkeit; die größte Oppositionspartei rückt gerade weiter nach links, weg von jedem Spar- und Reformprogramm; das Zentrum bietet nur Rhetorik ohne Inhalte an. Kein Politiker will wahrhaben, dass es die prekäre Lage Italiens ist, die aus einer Krise kleiner Staaten an der Peripherie eine Vertrauenskrise ganz Europas hat entstehen lassen". Weiterhelfen könnten daher nur Warn- und Alarmsignale. Die Zeitung aus Hessen ist überzeugt: "Ohne Druck von außen kommt Italien nicht voran".
Die Stuttgarter Zeitung appelliert an den Zusammenhalt und das Durchsetzungsvermögen der EU: "Die europäische Politik benötigt eine Reform, die über das Aufspannen von immer neuen Schutzschirmen hinausgeht. Wenn sie ihre Idee des geeinten Europas erfolgreich verteidigen will, wenn sie nicht mehr nur Spielball der Märkte sein will, muss sie in den entscheidenden Punkten das Primat der Politik durchsetzen". Das, so das Blatt aus Baden-Württemberg, werde "aber nur in einer politischen Union gehen, die auch zu einer gemeinsamen Wirtschafts- und Finanzpolitik" finde. Und es werde "nicht ohne den Verlust nationaler Souveränitätsrechte gehen. Dies ist der Preis, den ein vereintes Europa im globalen Wettstreit kostet. Ob er es wert ist, bezahlt zu werden, sollten die Politiker entscheiden. Und nicht die Finanzmärkte".
"Griechenland braucht weitere acht Milliarden, sonst droht im Oktober die Staatspleite. Italien verliert an Bonität, in Frankreich und Spanien beginnt das große Zittern. Es geht ans Eingemachte", fasst Der neue Tag das Dilemma der Eurokrise zusammen. Das Blatt aus dem oberpfälzischen Weiden wirft einen Blick auf Deutschland und fragt: "Und die Bundesregierung? Sie nimmt in Kauf, dass sich das Rad der Umverteilung immer schneller dreht. Angela Merkel wird allerspätestens bei der nächsten Wahl merken, dass der Steuerzahler durchaus bereit ist, mit seinen sauer verdienten Groschen zu bürgen, in Notfällen einzuspringen. Aber Zahlmeister spielen will er nicht, schon gar nicht für Länder, die tatenlos vor ihren Hausaufgaben sitzen".
Quelle: ntv.de, zusammengestellt von Susanne Niedorf-Schipke