Pressestimmen

Bildungsgefälle in Deutschland Es "werden Lebenschancen vertan"

Wieder ist der Aufschrei groß: Grundschüler aus Berlin, Bremen und Hamburg können nicht so gut lesen und rechnen wie bayerische Schüler. Die Presse verwundert das Ergebnis des neuesten Schulrankings hingegen nicht: Reformeifer hin oder her - Bildung ist nach wie vor Ländersache. Und das scheint dem Ziel eines einheitlichen Bildungsniveaus entgegen zu stehen.

Der Wohnort beeinflusst die Bildungschancen.

Der Wohnort beeinflusst die Bildungschancen.

(Foto: dpa)

"Die Studie dokumentiert ein Versagen der Schulpolitik in Bremen, Hamburg und Berlin", resümiert die Süddeutsche Zeitung und fordert: "Es muss jetzt Schluss sein mit der Geduld. Dokumentiert ist nun das Scheitern einer Politik, der es um mehr Chancengleichheit gerade für arme und ausländische Familien ging. Nirgendwo sonst hängt die Fähigkeit zum Rechnen so stark von der Herkunft ab wie in Bremen, niemand hat als Kind aus einer Migranten-Familie so schlechte Chancen, Deutsch zu verstehen wie in Berlin. Dass dies bei den Viertklässlern festgestellt wird, macht die Lage noch gravierender. Dies ist das Schuljahr, in dem sich entscheidet, ob es das Kind auf das Gymnasium schafft oder nicht. In Berlin, Bremen und Hamburg werden Lebenschancen vertan."

"Einmal nur, nach dem Pisa-Schock 2001, haben die Kultusminister ihre Bildungshoheit für den Moment vergessen, um sich einer gemeinsamen Anstrengung zu widmen: der Förderung von Schülern aus Migrantenfamilien", erinnert die Berliner Zeitung. "Der internationale Vergleich hatte ergeben, dass deren Bildungschancen nirgendwo schlechter waren als in Deutschland. Seither hat sich ihre Lage ein wenig, aber nicht deutlich gebessert. Der bundesweite Grundschulvergleich unterstreicht nun noch einmal, dass nur eine möglichst frühe, vorschulische Förderung die sprachlichen Defizite von Migrantenkindern ausgleichen kann. In der Grundschule ist es dafür schon zu spät."

"Was lernt man aus dem Bundesländervergleich der Grundschulen?", fragt sich Zeit Online. "Die gute Nachricht ist, dass in fast allen Ländern die klare Mehrheit der Schüler das kann, was von Viertklässlern erwartet wird. Die schlechte Nachricht, dass in Berlin und Bremen jeder vierte, in Hamburg jeder fünfte Viertklässler nicht einmal die Mindeststandards erreicht. Mangelnden Reformeifer kann man den Kultusministern nicht vorwerfen. Viele Lehrer und Eltern stöhnen schon unter ständigen Neuerungen. Doch kaum eine dieser Maßnahmen wird daraufhin überprüft, ob sie auch wirkt. Schaut man auf die Ergebnisse des Grundschulvergleichs, dann wirken viele offensichtlich nicht. Es wird eine der wichtigsten Aufgaben der Schulpolitik sein, genauer zu testen, welche Reformen wirklich nützen und diese dann systematisch und behutsam umzusetzen."

"Der Föderalismus in der Bildung ist gescheitert, wenn er nicht dazu führt, dass die Länder voneinander lernen, meint der Bonner General-Anzeiger. "Diesen Beweis haben sie bisher nicht geliefert. Strukturreformen sind nicht alles. Doch wenn Strukturen Entwicklungen behindern, etwa das Kooperationsverbot, müssen sie fallen."

"Dass Kinder von Migranten und Arbeitern schlechter als andere abschneiden, ist hinlänglich bekannt und in zahllosen Tests nachgewiesen. Daraus hätten schon längst die Lehren gezogen werden können wie zügiger Ausbau von Ganztagsschulen und Förderung von benachteiligten Kindern." Der Wiesbadener Kurier findet die neueste Studie "überflüssig und ärgerlich" und fordert eine Änderung der Bildungspolitik: "Wenn die Kultusminister nun sagen, ein einheitliches Bildungsniveau über die Ländergrenzen hinweg müsse her, ist das Augenwischerei. Solange Bildungspolitik Ländersache ist, solange wird es das nicht geben."

Quelle: ntv.de, Zusammengestellt von Nadin Härtwig

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