Führungswechsel bei den Liberalen "FDP bekommt vielleicht eine Zukunft"
10.05.2011, 19:36 Uhr
Die FDP steht vor einer Runderneuerung ihrer Führungsriege: Rainer Brüderle wird Fraktionschef, Philipp Rösler Wirtschaftsminister und Daniel Bahr Gesundheitsminister (l-r).
(Foto: picture alliance / dpa)
Offen drohte er nicht und es gab auch keine Basta-Sprüche, am Ende aber zeigte - der gerne als "Polit-Softie" bezeichnete - Philipp Rösler Durchsetzungsvermögen: In knapp 24 Stunden wurde die Ministerriege umgeschichtet, die FDP-Fraktionsführung und die Parteispitze neu organisiert. Der designierte Parteichef setzte dabei seine Vorstellungen weitgehend durch: Er selbst bekommt das Wirtschaftsministerium, Vorgänger Brüderle übernimmt die Fraktion und Röslers Posten als Gesundheitsminister geht an seinen bisherigen Staatssekretär Daniel Bahr. Damit sind die wichtigsten Personalien vor dem am 13. Mai beginnenden FDP-Parteitag in Rostock geklärt. Doch reicht das aus, um die Krise der Liberalen zu beenden?
Die in München herausgegebene Süddeutsche Zeitung schreibt: "Ein Problem der Liberalen war zuletzt, dass kaum mehr jemand ihre Politik beachtete, weil der Manierismus des Vorsitzenden alles überdeckte. Auch Rösler, Lindner und Bahr sind noch zu viel FDP der Attitüde. Die junge FDP bekommt vielleicht eine Zukunft, wenn sie authentisch wird. Denn eigentlich hat sie einen unschätzbaren Vorteil: Die Liberalen könnten, so wie die Grünen vor 30 Jahren, das Lebensgefühl einer jüngeren Generation treffen, weil große Teile des Führungspersonals dieser Generation selber angehören. Welche andere Partei hat das schon zu bieten"?
"Diese Personalrochade ist eine interessante Mischung aus viel Bewegung und wenig Änderung, aus maximalem machtpolitischem Energieaufwand und minimalem Effekt", konstatiert die Tageszeitung. Denn, so die in Berlin erscheinende Zeitung, "abgesehen davon, dass der neue FDP-Chef Phillip Rösler endlich das unpopuläre Gesundheitsministerium los ist, bleibt viel gleich. Generationswechsel? Rainer Brüderle, der knorrige Wirtschaftsliberale, der schon Minister war, als Generalsekretär Christian Lindner seine Schultüte bekam, ist keineswegs entmachtet".
Für die Frankfurter Allgemeine Zeitung hat der künftige FDP-Vorsitzende Philipp Rösler einen "ersten Erfolg" errungen: "Frau Homburger war als Fraktionsvorsitzende effizient und gutorganisiert, aber für Krisenpathos und Aufbruchslyrik völlig ungeeignet. Nun kommt Brüderle, der das im Repertoire hat, ohne darüber die praktische Arbeit zu vernachlässigen. Rösler hat diese Neuordnung in der Fraktion, nach langer Zurückhaltung zunächst, zielstrebig durchgesetzt. Äußere Umstände halfen ihm dabei. Der künftige Vorsitzende hat zum ersten Mal verbindlich seine Entschlossenheit erkennen lassen, das Amt des FDP-Vorsitzenden auch tatsächlich ausüben zu wollen. Das hat die Fraktion beeindruckt; es könnte den Parteitag überzeugen und schließlich auch wieder ehemalige FDP-Wähler anziehen".
Das Mindener Tageblatt sieht das anders: "Was genau aber sagt eine angebliche personelle Runderneuerung über den Zustand der FDP aus, wenn sich mehr oder weniger dieselben Personen anschließend eigentlich nur irgendwo anders befinden, aber immer noch in herausragender Position? Philipp Rösler habe sich durchgesetzt, heißt es jetzt als Ausweis der Führungsstärke des designierten neuen Parteivorsitzenden. Womit denn? Nein, seine wirkliche Herausforderung liegt noch turmhoch vor ihm: Nämlich nachzuweisen, wofür man eine bei der letzten Bundestagswahl noch von annähernd 15 Prozent der Wählerinnen und Wähler mit vielen Hoffnungen in den Bundestag geschickte Partei noch brauchen kann - außer für Personalpossen, die über die inhaltliche Position der FDP nichts, aber auch gar aussagen. Oder vielleicht doch alles"?
Auch das Badische Tagblatt ist skeptisch: "Denn mit einem Wechselspiel an der Parteispitze und einer damit einhergehenden Verjüngungskur allein, die ja eigentlich auch kein Wert an sich ist, kann man vielleicht die Partei beruhigen, aber Wähler sind dadurch noch längst nicht zurückgewonnen. Sich auf eine Steuersenkungsforderungspartei zu reduzieren, hat den Liberalen kurzzeitig Rekorde beschert, aber auch für einen umso rascheren Erdrutsch in Sachen Glaubwürdigkeit gesorgt. Die FDP wäre gut beraten, sich politisch wieder mehr Kontur zu geben".
Die Vorgänge der vergangenen Tage sorgen für die Eßlinger Zeitung "immerhin in einem Punkt für Klarheit": "Der künftige Parteichef und Wirtschaftsminister Philipp Rösler ist ein ausgekochter Politprofi. Vorbei ist es mit Vermutungen, der Hobby-Bauchredner aus Hannover sei zu friedfertig oder zu weich. Wie Rösler den eigenen Laden aufgemischt hat, kann man in keinem Lehrbuch lesen. So nachhaltig wie nun die Personalien durcheinandergewirbelt sind, so engagiert müsste Rösler auch die inhaltliche Neuausrichtung der Partei angehen. Viel Zeit bleibt ihm dafür nicht. Die Basis will wieder Erfolge sehen".
Quelle: ntv.de, zusammengestellt von Susanne Niedorf-Schipke