Urwahl eines Spitzenduos "Flügel interessieren Wähler nicht"
19.03.2012, 21:44 UhrMit einer Urwahl oder einer Entscheidung des Parteitags wollen sich die Grünen im November auf ein Spitzenduo für den Bundestagswahlkampf einigen. Spielen sie gekonnt auf Zeit? Oder vertuschen sie dadurch nur, dass am Ende die immer gleichen Gesichter die Grünen präsentieren werden? Weil qualifizierte Alternativen fehlen? Die Presse diskutiert.
Die Stuttgarter Zeitung lobt die Entscheidung der Grünen, auf ein Spitzenduo zu setzen: "Dass die Grünen ein Spitzenduo aufstellen wollen, ist klug. Mit Kollektivlösungen an der Spitze, die alle Flügel abdecken, ist die Partei nicht schlecht gefahren. Einen Kanzlerkandidaten braucht sie ohnehin nicht."
Dass das neue Spitzenduo der Grünen alle Flügel abdeckt, bezweifelt indes die Frankfurter Rundschau. Für die Zeitung müssen die Realos unter den Grünen mit einem linken Führungsduo aus Claudia Roth und Jürgen Trittin leben. Laut dem Blatt ist Roth schlicht die chancenreichste Frau und Trittin der Chancenreichste Mann für den Posten. "Die Wähler interessieren sich nicht für die Flügel, die interne Ideen- und Karriere-Netzwerke sind. Die Realos müssen 2013 eben in den sauren Apfel beißen, falls die Basis Trittin/Roth kürt. Immerhin haben sie ja auch jahrelang den Ton angegeben, die echten Fundis vertrieben und das Alphatier Joschka gestellt."
Mit dieser Einschätzung bestätigt die Frankfurter Rundschau genau das, was die Ludwigsburger Kreiszeitung befürchtet: Dass am Ende doch die immer gleichen Gesichter die Partei präsentieren werden. "Wie immer die Kandidatenfindung ausgehen mag, am Ende dürften die Grünen wieder von altbekannten Gesichtern repräsentiert werden. Roth oder Trittin als personalpolitische Innovation zu verkaufen, wäre jedenfalls lächerlich. Wozu also der ganze Aufwand? Von grünen Wählern ist bekannt, dass sie sich eher für Programme statt für Personen interessieren. Davon kann sich die Führungszentrale der Partei eine Scheibe abschneiden."
Auch die Südwest Presse empfiehlt den Grünen, sich mehr auf Inhalte zu konzentrieren: "Wahlaussagen stehen im Rampenlicht und nicht diejenigen, die sie vortragen oder sich gar vordrängeln. Damit zeigen Spitzenkräfte, dass sie Demokratie verstanden haben. Sie vergibt Ämter nur auf Zeit. Den Grünen sollte zu denken geben, dass man sie daran erinnern muss."
Ganz so negativ sieht das Hamburger Abendblatt die Entscheidung der Grünen nicht. Dem Spitzenpersonal ist es laut der Zeitungen gelungen, "sich in wenigen Tagen auf das Vorgehen zu einigen, ohne jetzt, mitten in drei Landtagswahlkämpfen und nach dem Sinkflug aus den Fukushima-Umfragehöhen, in einen offenen Führungsstreit zu stolpern. Zumindest ist Zeit gewonnen, sich noch auf ein quotengerechtes Duo zu einigen - oder im Herbst die Mitglieder zu befragen. Ein schöner Rückgriff auf die eigenen Wurzeln."
Quelle: ntv.de, zusammengestellt von Issio Ehrich