Ende gut, alles gut? Griechenland ist tief gespalten
18.06.2012, 09:43 Uhr
Die ausländischen Beobachter werden weiterhin ein Auge auf Griechenland werfen.
(Foto: dpa)
Griechenland hat gewählt und die Eurobefürworter haben eine rechnerische Mehrheit. Nach Auszählung fast aller Stimmen wird die konservative Partei Nea Dimokratia mit knapp 30 Prozent stärkste politische Kraft. Die Europäische Union hofft nun, dass sich die Parteiführer in Griechenland diesmal zusammenraufen - anders als nach der Wahl vor sechs Wochen. Eines zeigt die Wahl aber auch. Die tiefe Zerrissenheit der Griechen über ihren politischen Kurs, denn die eigentlichen Wahlgewinner sind die Linksradikalen, die ihren Stimmanteil enorm verbessern konnten. Die Linken würden den Euro-Spendern am liebsten deren Sparforderungen vor die Füße werfen. Auch die Kommentatoren der internationalen Zeitungen beschäftigen sich mit dem Ausgang der Wahl in Griechenland.
Die Neue Zürcher Zeitung aus der Schweiz orakelt bereits, dass auch eine neue Regierung mit den Konservativen an der Spitze keine Gewähr dafür ist, dass Griechenland in der Euro-Zone verbleiben kann. "Der Chef der Nea Dimokratia, Antonis Samaras, verlangt ebenso wie die Pasok eine Aufweichung des von den Geldgebern verordneten strengen Sparkurses, der Griechenland zerstöre. Er fordert neue Verhandlungen."
Neue Verhandlungen werden mit Sicherheit kommen, allerdings wird dann die Frage sein, wie groß der Spielraum wirklich ist. Das allerdings wird nicht nur in Athen entschieden sondern vor allem auch in Berlin. So schreibt die Londoner Times: "In Griechenland ist wohl eine Blockade vermieden worden. Doch wir wissen immer noch nicht, ob die Zukunft des Landes in der Eurozone langfristig tragbar sein wird. Die Wahl hat zwar in Griechenland stattgefunden, doch in Wirklichkeit wird Deutschland über die Zukunft Griechenlands entscheiden." Allerdings ist der Berliner Kurs alles andere als klar und belastet so die Wirtschaft Europas. " Die Times dazu: Das von Mrs Merkel konzipierte EU-weite Sparprogramm hat die Lage nicht verbessert und häufig verschlimmert. Deutschland klärt nur sehr langsam seine Vorstellungen für die Weiterentwicklung der Gemeinschaftswährung. Die Griechen haben nun abgestimmt. Jetzt liegt es an Mrs Merkel, den Ausgang der Wahl mitzugestalten."
So ähnlich sieht das auch die linksliberale römische Tageszeitung La Repubblica, dass Deutschland schwerlich weiterhin immer nur "Nein" sagen kann. "Die einzige wirkliche Gefahr nach der Antwort der Griechen an den Wahlurnen ist, dass Berlin sich nun der falschen Hoffnung hingibt, den x-ten Notstand überwunden zu haben, und glaubt, sich noch Zeit lassen zu können. Die Zeit ist überfällig, das haben am Sonntag die griechischen Wähler erklärt. Und das werden jetzt auch die Regierungschefs der G20-Länder klar machen. Beim nächsten EU-Gipfel am 28. Juni wird es dann an Draghi, Monti und Hollande sein, es der Kanzlerin begreiflich zu machen."
Wie immer die neue Regierung aussehen wird - grundlegende Strukturreformen sind unerlässlich für einen wirtschaftlichen Aufschwung. Für diese Erneuerung des Staates - der große Opfer verlangt - müsste ein Ruck durch die ganze Nation gehen. Dazu schreibt die niederländische Zeitung de Volkskrant: "Zwischen den europäischen Ländern hat sich eine fast unüberbrückbare Kluft aufgetan. Der Süden produziert zu wenig, konsumiert zu viel und konnte dank niedriger Zinsen jahrelang Schulden machen. Um diese Lücke zu schließen, muss Geld auf den Tisch, viel Geld. Ob es aus einem astronomisch hohen Rettungsfonds oder aus Eurobonds kommt, ist egal, solange man bereit ist, alle Löcher zu stopfen."
Das ist allerdings eine komplizierte Entscheidung, da die Geber-Länder diese Solidarität in Frage stellen und von den Nehmer-Ländern allerlei Zugeständnisse erwarten. De Volkskrant stellt somit auch die große Frage, auf die die Politiker Nordeuropas eine Antwort finden müssen: "Welche Opfer wollen ihre Bürger für die Rettung der Eurozone bringen? Solidarität oder nicht - das ist die wirkliche Frage."
Der Kommentator der belgischen Zeitung De Standaard stößt ins gleiche Horn und weist auf die Tatsache hin, dass Griechenland nun kein Druckmittel mehr für Neuverhandlungen hat und ergo nur noch auf Gnade hoffen kann. "Die Griechen müssen unter das Joch. Sich weiter widerspenstig zu geben, hätte den Zahlmeistern einen Vorwand geliefert, eine neue Eurozone ohne Griechenland zu schaffen. Das ist es, was die Eurokrise mit Ländern und Völkern macht: sie haben nur noch die Wahl zwischen Unterwerfung oder finanziellem Untergang. Der Schaden ist größer als die verbrannten Milliarden. Die Idee der Einigung Europas ist fatal untergraben. Die Schicksalsverbundenheit, die wir Schritt für Schritt aufgebaut hatten, scheint nur noch eine Fassade zu sein. Die Unterschiede in den Ansichten zu Politik und Wirtschaft, ja zum Leben selbst, sind nicht bloß Nuancen, sondern unüberbrückbare Widersprüche."
Dass jetzt ausgerechnet ein Politiker wie Antonis Samaras zum Hoffnungsträger der meisten Griechen und der europäischen Staatskanzleien wurde, zeigt, wie absurd Politik sein kann. Das Wiener Massenblatt Kurier lässt kein gutes Haar an Samaras, der alles Üble repräsentiere, was man über die griechische Politikerkaste sagen könne. "Nach seinem Universitätsstudium in den USA wurde er bereits mit 26 Jahren Parlamentsabgeordneter und Mitglied der konservativen Nea Dimokratia, die sich Skandale aller Art unredlich mit den Sozialisten teilte. Und ausgerechnet beim Thema Mazedonien, politischer Spielball der Nationalisten in Griechenland, rückte Samaras noch weiter nach rechts. Ein Nationalist spielt jetzt also in Athen den großen Europäer."
Der österreichische Standard drischt weniger auf die ND ein zeigt sich eher liberal, die wohl "verstanden haben, wie viel für sie, für ihr Land und für Europa bei dieser Wahl auf dem Spiel stand. Die Botschaft ist angekommen. Viele haben doch für die konservative Nea Dimokratia gestimmt: weniger aus Überzeugung sondern hoffend, dass damit eine Stabilisierung erreicht wird - als Signal an die Finanzmärkte und die anderen Europäer."
"Die Griechen sind klüger geworden und haben gelernt", meint abschließend der Kommentator der liberalen slowakischen Tageszeitung Sme, sie hätten zwar gezeigt, dass sie "beleidigt die Radikalen von rechts und links wählen können, aber damit ihre Schulden trotzdem unbezahlt bleiben. Als sie im Mai aus Protest wählten, wendeten sich Märkte und Touristen von ihnen ab. Schade, dass sie das erst im Juni bei der neuerlichen Wahl verstanden haben."
Ob auch Europa dazugelernt hat, dass sich da, wo nichts mehr ist, auch nichts nehmen lässt - wird sich erst in den kommenden Tagen zeigen. Die jetzt mehren sich die Stimmen derjenigen, die eine Lockerung der strengen Sparauflagen für Griechenland fordern. Denn eines hat die Wahl vom Sonntag noch gezeigt, dass jemand, den man an die Wand drückt, beginnt zu treten.
Quelle: ntv.de, Zusammengestellt von Peter Richter