Pressestimmen

Redeschlacht zwischen Steinbrück und Merkel "Klarer Punktsieg im Psychoduell"

Der Wahlkampf in Deutschland ist eröffnet: SPD-Kanzlerkandidat Steinbrück und Amtsinhaberin Merkel (CDU) nutzen die Haushaltsdebatte des Kanzleramts für das Jahr 2013, um sich für die Bundestagswahl im kommenden Jahr in Position zu bringen. Vor allem der für seine Redegewandtheit und Schlagfertigkeit bekannte Steinbrück startet scharfe Attacken gegen Merkel und ihre schwarz-gelbe Regierung. Die Kanzlerin dagegen kontert mit Eigenlob und bezeichnet das Bündnis von Union und FDP als "erfolgreichstes seit der Einheit". Kann der SPD-Spitzenmann in diesem Schlagabtausch politischen Boden gegen die CDU-Politikerin gutmachen? Die Kommentatoren der deutschen Tageszeitungen diskutieren.

"Der Kandidat Peer Steinbrück bleibt in der Defensive", konstatiert der Kölner Stadt-Anzeiger und sucht nach einer Begründung: "Nach der Debatte um seine Nebeneinkünfte wartet gleich die nächste Panne: Sein Online-Berater war für Hedgefonds tätig, die der Ex-SPD-Chef Müntefering einst als 'Heuschrecken' bezeichnete. Was in der Union oder FDP kein Problem wäre, ist in den Augen der SPD eine Todsünde". Dass die Konkurrenz dies "freut", steht für die Zeitung außer Frage: "Steinbrück hat das Zeug dazu, über seine eigenen Beine zu stolpern, heißt es. Seit Wochen ist er Kandidat, und genauso lange kämpft er gegen sich selbst. Es bleibt ein Fehlstart. Schlecht für ihn, die SPD und die politische Kultur".

Auch die Kieler Nachrichten begeben sich auf Ursachensuche: "Der strategische Nachteil des SPD-Kanzlerkandidaten ist, dass er die Regierung auf keinem politischen Feld stellen kann, ohne den Konflikt mit seiner Partei heraufzubeschwören oder die eigenen Überzeugungen zu verraten. Ob Rente, Steuern oder Europa: Die SPD steht viel weiter links als ihr Kandidat". Das Blatt aus dem hohen Norden kommt zu dem Schluss: "Weil das so ist, beschränkt sich Steinbrück auf die Attacke. Für einen Oppositionspolitiker reicht das aus. Für einen Kanzler ist es zu wenig".

"Ein SPD-Kanzlerkandidat, der jetzt auch noch mit der Benennung eines Online-Beraters - dem Autor des Buches 'Scheißkerle' - eine erschütternde Unsensibilität gegenüber 'Heuschrecken' und Sozi-Empfindungen zeigte, mag vieles Richtige sagen", räumt die Leipziger Volkszeitung ein. Dennoch könne aber Steinbrück, "den das Pech und eine gewisse sozialdemokratische Unempfindlichkeit begleitet, (…) kaum noch ein Gewinner-Typ werden". Angela Merkel hingegen mache "mit einem Klick ihr Wahlkampf-Aggregat an": "Schamlos und frech behauptete die CDU-Vorsitzende, sie führe die beste deutsche Regierung seit der Wiedervereinigung an. Am Ende staunten Opposition wie Regierung über ein derartiges Eigenlob". Das Fazit für das Blatt aus Sachsen lautet: "Das war ein klarer Punktsieg im Psychoduell mit einem SPD-Herausforderer, der außer Form zu sein scheint".

Mit Steinbrück ins Gericht gehen Straubinger Tagblatt/Landshuter Zeitung: "Die Jungfernrede eines vermeintlichen Kanzlers in spe, der noch nie eine Wahl gewonnen hat und den seine eigene Partei gegenwärtig nicht als Hoffnungsträger bezeichnen würde, ist eben deutlich schwieriger und anspruchsvoller als ein noch so gut bezahlter Auftritt eines Hinterbänklers bei einer Talkshow der Bochumer Stadtwerke. Peer Steinbrück mag Kanzler können, wie Helmut Schmidt meint; den Nachweis, dass er auch Kandidat kann, hat er (…) immer noch nicht erbracht".

Die Volksstimme sieht Steinbrück in einer unglücklichen Situation: "In seiner Erwiderung auf die Rede der Kanzlerin hat er gut dosiert. Der Vorwurf an Merkel, ihre zerstrittene Koalition nicht straff genug zu führen, saß zudem. Der Kandidat sucht seine Rolle - vom harten Hund zur Kanzlerpersönlichkeit, die SPD-Botschaften verkörpert". Es sei "Pech für ihn, dass in Berlin mehr über den Rücktritt seines eben gekürten schillernden Internetberaters Roman Maria Koidl geredet wurde als über seinen Auftritt". Doch, so der Kommentar aus Magdeburg: "Ein zukünftiger Kanzler hätte wissen müssen, dass Hedgefonds-Berater zurzeit schwer vermittelbar sind".

Das Delmenhorster Kreisblatt erachtet den heftigen Schlagabtausch der beiden Spitzenkandidaten als unangebracht: "Dass die Debatte über den Kanzler-Etat zur Generalabrechnung wird, ist eine schöne Tradition. Doch die Art, wie Angela Merkel und Peer Steinbrück gestern die parlamentarische Bühne für einen vorgezogenen Wahlkampf nutzten, kann angesichts der ernsten Lage in Griechenland nur Kopfschütteln erzeugen - von der brenzligen Lage in Nahost ganz zu schweigen".

Quelle: ntv.de, Zusammengestellt von Susanne Niedorf-Schipke

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