Pressestimmen

Mini-Anhebung von Hartz IV "Klischee vom Drückeberger bedient"

Alle Posten, die bei der Ermittlung des Regelbedarfs für einen Hartz IV-Einpersonenhaushalt zu berücksichtigen sind.

Alle Posten, die bei der Ermittlung des Regelbedarfs für einen Hartz IV-Einpersonenhaushalt zu berücksichtigen sind.

(Foto: dpa)

Die Anhebung des Hartz-IV-Satzes um nur 5 Euro stößt in der Presse auf geteiltes Echo. Es dürfe nicht nur darum gehen, den Bedürftigen Wünsche zu erfüllen. Schwarz-Gelb sei auch den Leistungsträgern Rechenschaft schuldig, urteilen die einen. Diese Regierung habe Hartz-IV-Empfänger abgeschrieben, befinden andere.

Die Mini-Erhöhung von Hartz V wird im günstigsten Fall noch verspottet, kommentiert die Leipziger Volkszeitung. Ansonsten tobe ungebremst der Empörungshurrikan. "In den Turbulenzen geht aber leider völlig unter, dass mit dem Bildungspaket ein richtiges Angebot für Kinder geschnürt wird. Bezahlte Nachhilfen oder Gutscheine für Mitgliedschaften in Sportvereinen, für Musikunterricht und die Teilnahme an Ferienfreizeiten sind keine Peanuts sondern öffnen Perspektiven." Doch ausgerechnet hier habe sich Ministerin von der Leyen mit ihrem Chipkartenmodell hoffnungslos verrannt. "Das ist das eigentliche Ärgernis."

Es darf nicht nur darum gehen, welche Wünsche den Bedürftigen zu erfüllen sind, stellen die Kieler Nachrichten fest. "Die Regierenden sind auch Rechenschaft schuldig gegenüber den Leistungsträgern. Sie müssen nachvollziehbar erklären, ob das Geld der Steuerzahler sachgemäß eingesetzt wird", schreibt das Blatt aus dem Norden. Der Vorwurf der angeblichen sozialen Kälte sei vor allem Ausdruck einer unglaublichen Ignoranz. "Ignoranz gegenüber den Millionen Arbeitnehmern, die Monat für Monat den Unterhalt von Hartz-IV-Empfängern bezahlen und damit die Garanten des sozialen Friedens sind. Und Ignoranz insbesondere gegenüber Niedriglöhnern, den Fliesenlegern und Verkäuferinnen, den Krankenschwestern und Friseuren, die für einige Euro weniger im Monat Hartz IV empfangen könnten statt 40 Stunden in der Woche zu arbeiten."

Union und FDP müssen sich den Vorwurf gefallen lassen, auf peinliche Art kleinlich mit den Armen dieses Landes umgegangen zu sein, konstatiert die Süddeutsche Zeitung. Die Bundesregierung habe den Graben zwischen Arm und Reich vergrößert. Diese Koalition, urteilt das Blatt, "bedient Hoteliers, schont Vermögende beim Sparpaket, fördert die Atomindustrie, lehnt einen bundesweiten Mindestlohn ab, aber hebt ausgerechnet bei Langzeitarbeitslosen den moralischen Zeigefinger und streicht ihnen die Genussmittel, die in diesem Land zum Leben dazugehören."

Auf die "dringliche Frage, wie denn Langzeitarbeitslose besser in Arbeit gebracht werden, gibt die Koalition keinerlei neue Antwort", stellen die Nürnberger Nachrichten fest. Das wäre auch weit schwieriger als das Durchdrücken neuer Regelsätze. "Die Art, wie Schwarz-Gelb dies durchzieht, verstärkt den Eindruck: Diese Regierung hat Hartz-IV-Empfänger abgeschrieben. Stimmen bekommt sie da ohnehin wenig, und Proteste sind von einer zusehends frustrierten Gruppe kaum zu erwarten. Stattdessen bedient eine angeblich christlich-liberale Koalition wieder mal die Klischees von den Drückebergern, die irgendwie doch selbst schuld seien an ihrem Schicksal und ihre eigene Klientel. Eine blamable Zwischenbilanz.

Die Karlsruher Richter verlangen eine nachvollziehbare Regelung, bemerkt die Heilbronner Stimme und rät: "Die Opposition und die Wohlfahrtsverbände sollten jetzt mit der Lupe nachsehen, wie sich der neue Satz zusammensetzt, bevor sie sich lauthals empören. Hat die Regierung getrickst, wäre das in der Tat ein sozialer Skandal. Aber noch ist nichts belegt, also sollte der Ball flach gehalten werden." Ob sich Kanzlerin Merkel mit ihrem Vorgehen wirklich einen Gefallen erweise, sei eine andere Frage. Der "auffallend energische Sparkurs im Sozialen passe nicht so recht mit den Milliarden-Gunstbeweisen für die Hotellerie oder die Atombranche zusammen".

Quelle: ntv.de, Zusammengestellt von Diana Sierpinski

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