Bewerberdaten im Internet "Mit heruntergelassenen Hosen"
21.08.2009, 20:13 UhrPersonalchefs suchen gezielt nach Informationen über Bewerber im Internet. Was sie dort an privaten Vorlieben, Interessen und Meinungsäußerungen potentieller Mitarbeiter vorfinden, lässt sie von einer Einladung zum Vorstellungsgespräch oftmals absehen, so eine aktuelle Studie. Liegt die Schuld dafür bei den sorglosen Internet-Nutzern oder bei den neugierigen Chefs? Die Zeitungen sind sich nicht einig.
Welche private Daten man im Netz öffentlich zu gänglich macht, will gut überlegt sein.
(Foto: dpa)
"Wer sich bei einfacher Google-Suche mehrfach mit heruntergelassenen Hosen finden lässt; wer bei StudiVZ in hemmungsloser Offenheit damit prahlt, die doofen Kollegen hintergangen zu haben; wer der ganzen Welt mitteilen muss, dass sein derzeitiger Chef ein inkompetenter Blödmann ist: Der bekommt völlig zu Recht nicht einmal einen Termin zum Vorstellungsgespräch", so die Meinung des Westfälischen Anzeigers. Eigentlich sei es doch so einfach, man müsse nur wisse, was sich gehöre und schlussfolgert: "Wer mit heruntergelassener Hose die offene Datenwelt betritt, geht nackt zum Bewerbungsgespräch. Kostüm oder Anzug dann erst beim Pförtner anzuziehen, ist zumindest riskant."
Die Dithmarscher Landeszeitung (Heide) sieht die Schuld bei den Nutzern selbst: "Wenn sonst schon nichts mehr hilft, die wichtigtuerische Nabelschau im Internet einzudämmen, dann vielleicht das Bewusstsein, bei der nächsten Bewerbung gleich aus dem Kreis der Aussichtsreichen zu fliegen. Das wird nicht viel am weiteren Absinken unseres kulturellen und gesellschaftlichen Niveaus ändern. Es ist aber wenigstens eine kleine versteckte Rache des Systems Internet, das eigentlich nicht mehr sein will als ein ganz normales Handwerksgerät."
Personalchefs spähen Bewerber regelrecht aus, findet hingegen die Ostsee-Zeitung: "Sie wollen wissen, was der Kandidat, die Kandidatin mit anderen diskutiert, bequatscht und kommentiert, wenn er oder sie glaubt, ganz privat zu sein." Man könne zwar "mit Abscheu und Ekel reagiere" und nach dem Staat und einem besseren Datenschutz rufen, aber das Blatt hat noch einen weiteren Tipp parat: Einfach "den Spieß umdrehen, die Personalschefs austricksen. Wer mal Bänker werden will, schwärmt in StudiVZ von Boni und komplex strukturierten Wertpapieren. Angehende Kfz-Mechatroniker diskutieren in Facebook über Hybridantrieb und synthetisches Langlauf-Öl. Da werden sich die Personalschefs verdutzt die Augen reiben, wenn sie beim Ausspähen von Bewerbern im Internet nur noch auf lauter smarte, leistungsbereite Typen stoßen. Müssen sie sich doch wieder ein persönliches Bild von den Bewerbern machen - wie altmodisch und unbequem."
Auch der General-Anzeiger (Bonn) nimmt die Chefs ins Visier: "Unbekannt bis zur Ungooglebarkeit - das ist heute fast niemand mehr. Eine Sache macht aber doch stutzig: Dass einige Personalchefs private Daten von Bewerbern sammeln, die in überhaupt keinem Zusammenhang mit der Bewerbung stehen. Ganz nach dem Motto: Ist zwar eigentlich privat, aber ich komme ja trotzdem dran. Die Privatsphäre ist eben in jederlei Hinsicht auf dem Rückzug."
Zusammengestellt von Katja Sembritzki
Quelle: ntv.de