Pressestimmen

Kritik am EHEC-Krisenmanagement "Ohne Scheuklappen arbeiten"

Noch immer ist die EHEC-Quelle nicht identifiziert und die Kritik am Krisenmanagement wird zunehmend lauter. Auch die Presse findet die Informationspolitik verwirrend, hält die Idee einer Seuchen-Polizei, wie sie der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach bei n-tv forderte, aber trotzdem nicht für sinnvoll. Vielmehr müsse sich die Arbeitsweise ändern.

Was darf man noch essen? Die Verbraucher sind verunsichert.

Was darf man noch essen? Die Verbraucher sind verunsichert.

(Foto: REUTERS)

"Übers Wochenende wurde aus der Gurken-Krise die Sprossen-Krise - und vermutlich wird die Jagd nach dem gefährlichen EHEC-Erreger noch einige Male den Namen wechseln", schreibt die Leipziger Volkszeitung, denn noch immer ist nicht klar, wie der lebensbedrohliche Darmkeim in die Nahrungskette gelangen konnte. "Doch anstatt der vielfach beschworenen europäischen Einigkeit gibt es Rangelei um die richtige Informationspolitik. Und Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner erweckt nicht den Eindruck, als habe sie dem Kommunikations-Chaos viel entgegenzusetzen."

Der Kampf gegen EHEC wird alles andere als optimal geleitet, findet auch die Stuttgarter Zeitung. Allerdings sei das auch gar nicht möglich, "da das föderale System keinen Kopf vorsieht. Dass der niedersächsische Landwirtschaftsminister Gert Lindemann ohne Rücksprache mit dem Robert-Koch-Institut den Verdacht auf Sprossen lenkt, ist ein Beispiel dafür. Gleiches gilt für Hamburgs Gesundheitssenatorin Cornelia Prüfer-Storcks, die Ehec auf spanischen Gurken fand. Als Minister sind beide zuständig. Und doch darf die Öffentlichkeit erwarten, dass solche Warnungen abgesprochen und von allen getragen werden. Es wäre daher ein gutes Zeichen gewesen, wenn sich die Landesminister ein wenig zurückgenommen hätten."

Von der übereilten Forderung nach einem Seuchenzentrum, um das Kompetenzchaos bei einer Epidemie in den Griff zu bekommen, hält der Tagesspiegel aus Berlin nichts: "Ein paar Schuldige für die EHEC-Epidemie scheinen jetzt ausgemacht zu sein: die Gesundheitspolitiker und die beamteten Gesundheitswächter beim Robert-Koch-Institut sollen dafür verantwortlich sein, dass die Epidemie noch nicht eingedämmt ist. Am Pranger steht auch - wieder einmal - das föderal aufgebaute Krisenmanagement. Abhängig von der eigenen Interessenlage kommen dann von den Kritikern sehr unterschiedliche Vorwürfe. Bevor jetzt vorschnell gefordert wird, wieder eine Superbehörde zu schaffen, sollte doch erst einmal eine eingehende Analyse über die Schwachstellen des Krisenmanagements abgewartet werden."

"Der vermaledeite Darmkeim EHEC lässt die Republik verzweifeln. Die Bürger wissen nicht mehr, was sie gefahrlos essen dürfen. Die Krisenmanager geben ein klägliches Bild ab." Trotzdem sieht auch der Nordbayerische Kurier in einer Task Force für Epidemien keine ideale Lösung: "Alle Kompetenzen beim Robert-Koch-Institut zu bündeln, brächte allerdings auch keine Erfolgsgarantie. Vor Ort kennen sich die lokalen Behörden am besten aus. Auf diese wäre eine mit Sonderrechten ausgestattete Eingreiftruppe angewiesen. Wir brauchen ein gesundes Netzwerk, bei dem alle ohne Scheuklappen arbeiten. EHEC offenbart, dass es an vielen Stellen hakt."

"Regelmäßige Kontrollen in Kuhställen, Kliniken und von Lebensmitteln sind nötig, um neue Entwicklungen früh zu bemerken." Außerdem ist es nach Meinung der Süddeutschen Zeitung unerlässlich, Experten gezielt zu fördern und diese Fachleute dann bei einem Infektions-Ausbruch "schleunigst einzubinden" – was in diesem Fall nicht geschehen sei: "Diesmal vergingen drei Wochen, bis Patientenproben aus den Kliniken in den EHEC-Speziallabors ankamen. Solche Verzögerungen aber bereiten den Keimen noch zusätzlich einen Nährboden."

Quelle: ntv.de, zusammengestellt von Katja Sembritzki

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