Pressestimmen

Herbstgutachten sieht Konjunktureinbruch "Planlos, hilflos und orientierungslos"

Die Wirtschaftsforscher sagen Deutschland einen Konjunktureinbruch voraus - das wundert die Presse wenig. Allerdings sind die Medien uneins, wie schlimm es werden könnte. Die einen sehen Deutschland noch auf einem guten Weg: "Deutschland segelt als führende europäische Wirtschaftsnation noch vergleichsweise komfortabel durch schwere See." Die anderen Zweifeln an den Krisenrezepten der Bundesregierung: "Was, wenn der Wurf nicht sitzt, wofür angesichts der bisherigen Erfahrungen mehr spricht als für das Gegenteil?"

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(Foto: dapd)

Für die Leipziger Volkszeitung kommt die Warnung der Konjunkturforscher wenig überraschend. "Nur unverbesserliche Optimisten konnten erwarten, dass die Aufschwung-Party weitergeht. Zwei Jahre XL-Wachstum sind vorbei, anderweitige Hoffnungen haben die Wirtschaftsinstitute jetzt klar ins Reich der Träume verwiesen. Der kräftige Aufschwung verliert deutlich an Schwung." Trotzdem sieht die Zeitung auch Grund, optimistisch zu bleiben: "Aber - und das ist mit Blick Schuldenkrise und Auswirkungen auf andere europäische Länder dann durchaus auch eine erfreuliche Nachricht - das magere Plus von 0,8 zeigt, dass Deutschland als führende europäische Wirtschaftsnation noch vergleichsweise komfortabel durch schwere See segelt. Es hätte jedenfalls schlimmer kommen können, als eine Prognose mit der Aussicht auf konjunkturelle Magerkost."

"Noch ist es nur eine Prognose - eine Prognose erstellt in Zeiten einer weltweiten Schuldenkrise, die es so noch nie gab und deren Ausgang keiner kennt", beschwichtigt der Südkurier. Von daher seien Vorhersagen schwierig. "Doch es spricht viel dafür, dass sich die Konjunktur abkühlt. Wenn ein Großteil der deutschen Handelspartner eisern sparen muss, wird sich das in den Auftragsbüchern der Unternehmen niederschlagen. Der Aufschwung dürfte also bald vorbei sein. Das ist schade." Die Zeitung ist trotzdem optimistisch: Die magere Zahl von 0,8 Prozent enthalte noch eine gute Nachricht: "Mit einer Rezession, die von vielen bereits an die Wand gemalt wird, rechnen die Forscher bislang noch nicht."

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Angesichts des Zustands der schwarz-gelben Bundesregierung ist die Zeitung Aachener Nachrichten weniger optimistisch. "Die akute Gefahr einer Rezession sehen die Herbstgutachter noch nicht. Das mag ein wenig beruhigen, ist aber auch reichlich optimistisch gedacht", schreibt das Blatt. Denn nach Aussage der Sachverständigen lasse sich eine wirtschaftliche Bruchlandung nur dann verhindern, wenn es gelingt, die Schulden- und Bankenkrise in den Griff zu bekommen. "Die Frage ist nur: Wie will die schwarz-gelbe Bundesregierung das bewerkstelligen? Bisher wirkte das Krisenmanagement des europäischen Taktgebers nicht nur planlos, hilflos und orientierungslos. Es hat die Probleme teilweise sogar verschärft. Dass sich dies ändern wird, dafür gibt es momentan keinerlei Anzeichen. Aber vielleicht haben die Konjunkturforscher einen Hoffnungsschimmer ja in ihrer Kristallkugel entdeckt."

Auch der Münchner Merkur sieht wenig Anlass zur Hoffnung. "Der nächste Wurf muss sitzen, sagen Deutschlands führende Ökonomen über die Euro-Rettungsbemühungen der Politiker. Dann könne eine Rezession vermieden werden. Und was, wenn der Wurf nicht sitzt, wofür angesichts der bisherigen Erfahrungen mehr spricht als für das Gegenteil?", kommentiert das Blatt und verweist auf die unterschiedlichen Interessenlagen in Europa. "Noch sind Sarkozy und Merkel weit auseinander: Sarkozy will Geld für seine wankenden Banken aus dem Euro-Rettungsfonds, weil das französische AAA-Rating futsch wäre, wenn er die Banken aus Pariser Kassen retten müsste. Umgekehrt ist es für Merkel undenkbar, dass mit deutschem Steuerzahlergeld nicht Griechenland, sondern Frankreich und seine Banken gerettet werden. Wie selten zuvor gründet das Herbstgutachten auf das Prinzip Hoffnung. Für Anleger heißt das: äußerste Vorsicht."

Das Mindener Tageblatt äußert allerdings Zweifel an der Qualität und Aussagekraft von Wirtschaftsprognosen generell. "Nach dem überproportionalen Aufschwung war eine Abkühlung unvermeidlich, auch ohne zusätzliche weltwirtschaftliche Kalamitäten. Sie wird nach den Voraussagen auch unschädlich für den Arbeitsmarkt sein, was wiederum zur anhaltenden Entlastung der Sozialkassen beiträgt. Und selbst wenn die Steuer-Milliarden nicht mehr ganz so üppig sprudeln wie zuletzt, bleibt ein Plus, kein Minus. Also alles kein Problem? Doch, sogar ein zentrales: die Prognosequalität. Schon in der ruhigeren Vergangenheit lagen die 'Weisen' öfter mal ziemlich daneben. Voraussagen sind eben schwierig, vor allem, wenn sie die Zukunft betreffen. In Zeiten von Börsen-Zickzack, Eurokrise, Bankenpanik und Schuldendrama werden Gutachten vollends zum Lottospiel."

Quelle: ntv.de, tis

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