Pressestimmen

Hygiene in deutschen Kliniken Schlagkräftige Task-Force nötig

Nach dem Tod von drei Babys in der Mainzer Uniklinik ist eine Diskussion um die hygienischen Zustände in deutschen Krankenhäusern entbrannt, die auch in der Presse ihr Echo findet. Die Ursachen sind schnell benannt: Fehlende bundeseinheitliche Kontrollsysteme, eine mangelnde personelle und finanzielle Ausstattung der Kliniken und der zu leichtfertige Einsatz von Antibiotika, der Bakterien resistent macht. Deutschlandweite verbindliche Richtlinien seien nötig, die von einer unabhängigen Instanz kontrolliert werden müssten.

Die hygienischen Zustände in deutschen Kliniken stehen am Pranger.

Die hygienischen Zustände in deutschen Kliniken stehen am Pranger.

(Foto: picture alliance / dpa)

Die Frankfurter Rundschau prangert den Antibiotika-Konsum an, die inzwischen wie Smarties geschluckt würden "- bei jeder kleinen Erkältung, bei jedem Bauchgrimmen". "Deshalb helfen viele von ihnen inzwischen nicht mehr. Bakterien sind ziemlich anpassungsfähig und tricksen die wehrhaften Antibiotika einfach aus: Antibiotikaresistenz ist unter Medizinern längst ein Angstwort. Die tragischen Todesfälle von Mainz sind deshalb - brutal gesprochen - gar nicht so außergewöhnlich. Sie erregen so viel Aufmerksamkeit, weil es eben Babys sind und das ganze Land deshalb voll mitgefühlter Trauer im Geiste an der Seite der verzweifelten Eltern steht."

Die Nürnberger Zeitung verweist auf den Umgang mit dieser Problematik in den Niederlanden, wo man schon weiter sei: Dort "etwa wird jeder neue Krankenhauspatient erst einmal für ein paar Stunden isoliert, um auf übertragbare Erreger untersucht zu werden". Die Folge: "Das Risiko einer Klinikinfektion ist dort inzwischen acht Mal geringer als in Deutschland. So lange derartige Wege hierzulande nicht einmal diskutiert werden, kann kein Gesundheitspolitiker seine Hände in Unschuld waschen."

"Der Kampf gegen die Keime droht ohne bundeseinheitliche Strategie verloren zu gehen", befürchtet die Wetzlarer Neue Zeitung. "Die Erreger halten sich nicht an Ländergrenzen, der Einfluss immer größerer Klinikkonzerne auf Ländergesundheitsministerien ist erdrückend." Das Blatt fordert eine radikalerer Lösung: "Nötig ist eine unabhängige und schlagkräftige bundesweite Behörde, eine Task-Force, die unangemeldet Operationssäle, Krankenhauszimmer und Infektionsstatisken prüft und bei nachgewiesener Schlamperei schließt."

Die Forderung nach einer bundeseinheitlichen Regelung stellt auch die Heilbronner Stimme: "Bisher bleibt den Klinikträgern je nach Bundesland überlassen, wie stark sie in die Abwehr von Keimen und Bakterien investieren. Das kostet viel Geld. Nur 60 Prozent der Krankenhäuser leisten sich Hygiene-Fachkräfte. Erstaunlich, dass der Gesetzgeber erst durch die Mainzer Tragödie zu der Erkenntnis gelangt, schleunigst bundesweit verbindliche Regeln einzuführen und sie durch die Länder kontrollieren zu lassen. Durch massiven Antibiotika-Einsatz werden Krankheitserreger immer gefährlicher, oft resistent und nicht mehr behandelbar. Sie können überall sitzen, auf Bettgestellen, Türgriffen und Schaltern. Mangelnde Hygiene darf nicht zum Angstfaktor werden, wenn man wirklich einmal ins Krankenhaus muss."

Der Bonner General-Anzeiger verweist auf die Arbeitsbelastung in den Krankenhäusern: "Die Arbeit wird immer mehr, die Zahl der helfenden Hände eher immer weniger. Die Kosten drücken, die Zahl der Überstunden auch. Da gelangt mancher Mensch im weißen, grünen oder blauen Kittel an die Grenzen seiner Leistungsfähigkeit. Das alles entschuldigt Fahrlässigkeit im Umgang mit Hygiene nicht, macht sie aber erklärbar. Denn umfassend aufmerksame Hygiene ist nicht zuletzt auch eine Frage der Ausstattung. Mit Material. Und mit Menschen, die Sorge tragen. Wer nun Verbesserungen fordert, sollte ehrlicherweise auch dazu sagen, was ihm die Gesundheit wert ist."

Quelle: ntv.de, Zusammengestellt von Nadin Härtwig

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