Pressestimmen

FDP verliert Orientierung "Schönredner haben Konjunktur"

Trotz des Wahldebakels der Berliner FDP sind aus der Regierungskoalition nur zu hören. Nach Meinung der Kommentatoren zeigt dies nur, wie sehr die Koalition abgewirtschaftet hat. Gerade in der Euro-Krise wäre eine starke deutsche Regierung nötig. Die FDP ist momentan ist aber weit davon entfernt, überhaupt regierungsfähig zu sein. Die Kanzlerin kann jetzt nur noch versuchen, irgendwie Stabilität in ihre Reihen zu bringen – oder sich nach einem neuen Partner umzuschauen.

Die FDP sucht nach Orientierung.

Die FDP sucht nach Orientierung.

(Foto: dpa)

Die Rhein-Neckar-Zeitung meint dazu: "Damit, dass Union oder Liberale ihr Bündnis freiwillig beenden, ist angesichts der rot-grünen Umfragemehrheiten derzeit zwar nicht zu rechnen. Sollten sich die Euroskeptiker in der FDP durchsetzen, wäre der Koalitionsbruch aber wohl unvermeidbar. Doch selbst wenn Schwarz-Gelb diese Hürde umschifft, bleibt die Frage, welches gemeinsame Projekt beide Parteien eigentlich noch verbindet. Zu oft schon hat die Regierung einen Neustart verkündet - nur um sogleich wieder in alte Streitereien zu verfallen."

Es war Norbert Röttgen von der CDU, der vor einem Jahr das Wort von der "irreparablen Beschädigung" prägte, erinnert die Sächsische Zeitung und schreibt: "Der damalige FDP-Vorsitzende Guido Westerwelle war gemeint, der als Vizekanzler in der Regierung Merkel seinen Ruf ruiniert hatte. Röttgens Diagnose war voll zutreffend. Zwölf Monate später, nach der Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus, zeigt sich, dass der Schaden über die Person Westerwelles weit hinausgeht. Seine ganze Partei ist beschädigt. Und groß sind die Zweifel, dass sie sich reparieren lässt."

Die Westdeutsche Zeitung hält es für ein Glück, dass Rösler erst im Mai 2012 zur nächsten Landtagswahl antreten muss: "Bis dahin hat er Zeit, seine Partei wieder auf Kurs zu bringen. Fällt die FDP aber auch in Schleswig-Holstein aus dem Landtag, wo der lautstarke Wolfgang Kubicki die liberalen Farben vertritt, dann könnte es allerdings eng werden für den jungen Vorsitzenden. Angela Merkel hätte dann aller Voraussicht nach immer noch gut ein Jahr Zeit, um ihre Wiederwahl zu kämpfen - ohne einen aufmüpfigen Partner, der den Nachweis seines großen politischen Talents bisher schuldig geblieben ist."

Das Handelsblatt erinnert an die Reihe der Verfehlungen der FDP: "Die Partei hat einen langen Prozess der Auszehrung und politischen Falschmünzerei hinter sich. Den Liberalismus holt sie sich nur noch vor Wahlen beim Kostümverleih ab, ihr politisches Geschäft aber besteht in Klientelpolitik. Die nimmt häufig offen antiliberale Züge an: Mal für die Apotheken, mal für die Ärzte, mal für die Hoteliers betätigt sie sich als Hehler von Sonderinteressen, die nicht im Dienste einer funktionierenden Marktwirtschaft stehen. Wie engstirnig die Partei geworden ist, zeigt die Hartnäckigkeit, mit der sie die Mövenpick-Steuer betrieben hat."

Unter der Führung von Philipp Rösler steckte die FDP drei ihrer fünf Niederlagen ein.

Unter der Führung von Philipp Rösler steckte die FDP drei ihrer fünf Niederlagen ein.

(Foto: dpa)

"Die Liberalen sind personell wie programmatisch am Ende", orakelt er Mannheimer Morgen und schreibt: "Der panische Wechsel an der Spitze führte ebenso wenig zu einem Erfolg wie der verzweifelte Versuch des neuen Parteichefs Philipp Rösler, die Berlin-Wahl zu einer Volksabstimmung gegen die Euro-Rettung zu erklären. Die Partei von Theodor Heuss, Walter Scheel und Hans-Dietrich Genscher liegt in Trümmern, weil sie nicht mehr weiß, was sie will, und nicht mehr vermitteln kann, wofür sie steht. Genau das aber macht die Arbeit für Merkel und ihre Regierung nicht leichter. Schwierige, weitreichende Entscheidungen stehen an."

Die Nordwest-Zeitung Oldenburg erinnert an Röslers Schlingerkurs in der Griechenland-Frage: "Erst stellte sich Rösler als Wirtschaftsminister und Vize-Kanzler voll hinter die Entscheidungen Angela Merkels mit den anderen EU-Partner in der Euro-Krise. Dann folgt ein folgenschwerer Besinnungsaufsatz, in dem die mögliche Pleite Griechenlands ausdrücklich hervorgehoben wird - gegen den schweren Zorn von Kanzlerin und Finanzminister Schäuble, die um Griechenland kämpfen. Jetzt, nach der Berliner Wähler-Klatsche, geriert man sich als pro-europäischste aller Parteien. Zugleich wird der größte Euro-Skeptiker bei der FDP, der NRW-Bundestagsabgeordnete Frank Schäffler, in den Parteigremien heftig abgewatscht. Der durfte zuvor ohne einen Tadel des Parteivorsitzenden für einen Mitgliederentscheid zum Euro-Rettungsschirm werben. Ja, was gilt denn nun?"

Quelle: ntv.de, zusammengestellt von Peter Poprawa

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