Pressestimmen

Debatte um Zuwanderung "Seehofer wollte rechts blinken"

Horst Seehofer fordert einen Zuwanderungsstopp für Türken und Araber. Als ernsthafter Beitrag zur Integrationsdebatte scheint seine Äußerung aber eher nicht gedacht zu sein, glauben die Zeitungen. Sie vermuten ein Signal an die Wähler rechts außen - das dem CSU-Chef allerdings nichts nützen wird.

2tsw3652.jpg

(Foto: dpa)

Dass Deutschland bei der Integration von Einwanderern Probleme hat, steht für die Stuttgarter Zeitung außer Frage. Die Politik hätte sich "lange gescheut, diese offen anzusprechen, und an vielen Punkten ist sie von der Lösung weit entfernt. Allerdings sind diese Probleme alles andere als grundstürzend. Das Land steht nicht vor einer Überfremdung, es wird weder demnächst noch später die Islamische Republik ausgerufen werden. Was also ist der Grund für das überschießende Misstrauen, für die Abwendung der Enttäuschten? Politiker wie Horst Seehofer täten gut daran, genauer nach den Ursachen zu forschen, statt mit möglichst scharfmacherischen Äußerungen nach Mehrheiten zu schielen."

"Es gibt zumindest aus der Türkei aktuell per Saldo gar keine Zuwanderung. Im Gegenteil. Mehr und mehr Türken zieht es zurück in das boomende Land ihrer Väter. Überhaupt ist die Zuwanderung in den Arbeitsmarkt gesetzlich klar geregelt. Vorrang haben Deutsche, EU-Ausländer, dazu Bürger aus den USA, Kanada und Japan. Erst danach dürfen - mit Hürden - Fachkräfte aus anderen Staaten geholt werden." Auch die Lübecker Nachrichten vermuten daher hinter Seehofers Äußerung Kalkül: "Seehofer wollte rechts blinken, um ein Signal an das politische Spektrum bis zur Wand zu geben. Mehr nicht."

"Leider hat sein jüngster Versuch, die Konservativen für die CSU zu retten, Ludergeruch über das Land gebracht", konstatiert dann auch die Süddeutsche Zeitung. Seehofer warne "in einem dieser bewusst für jedes Missverständnis offen gelassenen Sätze vor Zuwanderung aus anderen Kulturkreisen" und gebe sich dabei als "leicht xenophober, freundlicher Bauernfänger." Eines übersehe der CSU-Chef aber: Eine solche Taktik ziehe "auch bei bayerischen Bauern nicht mehr, … ganz zu schweigen von jenen Bayern, die nach solchen Sätzen noch weniger Grund sehen, in Zukunft CSU zu wählen."

"Abschottung statt Offenheit, heißt Seehofers Botschaft, die damit unterschwellig Ressentiments bedient und so die Bundesrepublik wieder ein Stück unattraktiver macht für jene fähigen Kräfte, die es dann doch lieber in die USA oder nach Kanada zieht. Deutschland, beschwichtigt nun Angela Merkel, sei und bleibe ein weltoffenes Land. Für wen?" fragt sich aber der Mannheimer Morgen. "Für die Besucher des Oktoberfests? Oder auch für die Forscher und Ingenieure in den Entwicklungs- und Schwellenländern, die der Wirtschaft aus ihren drohenden Engpässen helfen könnten? Deutschland braucht die gesteuerte Einwanderung, es benötigt die klugen, gut ausgebildeten Köpfe, ganz gleich, ob sie nun Christen, Muslime, Hindus oder ungläubig sind."

"Es geht um nichts weniger als den Versuch, in dieser Frage einen nationalen Konsens zu erreichen. Denn nur wenn der gelingt, wird es auch gelingen, diese Bundesrepublik und ihre Weltoffenheit, die sich nicht zuletzt in den ersten Artikeln des Grundgesetzes manifestiert, zu bewahren." Die Bundesrepublik, erinnert der General-Anzeiger aus Bonn, habe nach Ende des Zweiten Weltkrieges bewusst den Weg der europäischen Integration beschritten. "Ihn durch eine Politik des 'Ausländer raus' oder 'Ausländer nicht mehr rein' zu ersetzen, bedeutete den Einriss eines Grundpfeilers dieser Republik."

Quelle: ntv.de, Zusammengestellt von Katja Sembritzki

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen