Pressestimmen

Arbeitsniederlegung beim Online-Riesen "Streik kann und soll Amazon hart treffen"

Pressestimmen.jpg

Der Streit um Löhne bei Amazon kocht wieder hoch: Der Onlinehändler bezahlt seine Mitarbeiter weiterhin nach Tarifvereinbarungen aus der Logistik-Branche, anstatt, wie von vielen gefordert, nach den festgesetzten Löhnen des Einzelhandels. Diese liegen mindestens 1,67 Euro pro Stunde höher. Hunderte Mitarbeiter legen deshalb für 24 Stunden ihre Arbeit nieder. Der Zeitpunkt ist im Hinblick auf das Weihnachtsgeschäft bewusst gewählt. Die deutschen Tageszeitungen zeigen sich trotz kontroverser Diskussion solidarisch mit den Streikenden.

Mit einem 24-Stunden-Streik machen Hunderte Amazon-Mitarbeiter erneut auf ihre Lage aufmerksam.

Mit einem 24-Stunden-Streik machen Hunderte Amazon-Mitarbeiter erneut auf ihre Lage aufmerksam.

(Foto: dpa)

Die Berliner Zeitung schreibt dazu: "Je nach Angebotspalette erzielen Einzelhändler zwischen 25 und 50 Prozent ihres Jahresumsatzes im November und Dezember. Das ist beim weltgrößten Versandhändler Amazon nicht anders. So verwundert es nicht, dass der seit Langem schwelende Konflikt zwischen Unternehmen und Arbeitnehmervertretern über eine angemessene Bezahlung der Amazon-Mitarbeiter von Verdi nun erneut angefacht wird." Bislang habe sich der Konzern dem Ansinnen, seine Mitarbeiter nach dem hessischen Einzelhandelstarifvertrag zu entlohnen, strikt verweigert. Für die Verbraucher könne der Amazon-Streik zu verzögerten Zustellungen führen. Je nach Standpunkt könne man sich darüber ärgern oder den Streikenden Erfolg wünschen.

Das Delmenhorster Kreisblatt findet derweilen, dass eine Benachteiligung des stationären Handels gegenüber dem Online-Versandhandel nicht angehen kann: "Nur weil die Onliner auch dann noch geringere Gehälter zahlen wollen, wenn sie sich schon längst im Einzelhandelsgefüge etabliert habe. Wohlgemerkt: nichts gegen den Online-Handel. Er hat genauso seine Berechtigung wie der übrige Versandhandel und der stationäre Handel." Allerdings müsse der Kunde auch die Möglichkeit haben, sich für die jeweils beste Art und Weise des Einkaufs zu entscheiden. Und das gehe nur über faire und vergleichbare Bedingungen.

"Ein Streik im Advent kann und soll Amazon hart treffen", urteilt die Mitteldeutsche Zeitung aus Halle. "Amazon zahlt selbst festgelegte Stundenlöhne, die 1,67 Euro unter dem niedrigsten Einzelhandelstarif liegen. Begründung: Die Tätigkeiten bei Amazon seien denen im klassischen Einzelhandel nicht vergleichbar. Wahr daran ist, das es bei Amazon kein Verkaufspersonal gibt und keine Kassenkräfte. Wahr ist aber auch, dass Amazon sich selbst nicht als Paketzustelldienst verstanden wissen möchte, sondern als digitales Allround-Kaufhaus und universeller Händler. Wer aber Händler sein möchte, muss auch entsprechend zahlen."

Wer Kindern das Weihnachtsfest verderben will, der muss ein schlechter Mensch sein. So oder ähnlich stellt sich die Eisenacher Presse die Assoziation des Amazon-Managers Dave Clark vor, als er genau das der Gewerkschaft Verdi wegen des Streiks für einen Tarifvertrag unterstellte. "Dass man nun auch noch versucht, die Gewerkschaft der Mitarbeiter nach Kräften lächerlich zu machen, kürt die Firma nicht unbedingt zum gefragten Arbeitgeber." Daran, dass die Menschen bei Amazon sehr bequem einkaufen können, würden diese Probleme jedoch wenig ändern, befürchtet die Zeitung.

Für die Leipziger Volkszeitung ist die Weigerung von Amazon, mit Verdi einen Tarifvertrag abzuschließen, nicht nachvollziehbar. Offenbar glaube der normale US-Manager immer noch, die Gewerkschaft sei der natürliche Todfeind. In Deutschland sei das aber antiquiertes Denken, denn: "Die Gewerkschaften hier haben sich unterm Strich als verantwortungsvolle Sozialpartner erwiesen. Bereits Mitte der achtziger Jahre versah die IG Metall ihren Tarifvertrag im Westen zur 35-Stunden-Woche mit einer Öffnungsklausel. Inzwischen sehen viele Abschlüsse Möglichkeiten zur Flexibilisierung von Arbeitszeiten, aber auch Regelungen zum Erhalt von Jobs in Krisenzeiten vor. Hier waren die Gewerkschaften in den neuen Ländern häufig in der Vorreiterrolle. Oben drauf kommt: Mit ihrer lohnpolitischen Zurückhaltung haben die Gewerkschaften maßgeblich dazu beigetragen, dass aus dem kranken Mann in Europa ein wirtschaftlich so starkes Land geworden ist, dass die Euro-Krise kaum zu spüren ist."

Zusammengestellt von Louisa Uzuner

Quelle: ntv.de

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen