Tödliches Gift für die Weltwirtschaft "Ungestraft bleibt das Prassen nicht"
19.04.2011, 21:24 UhrDer Warnschuss der Ratingagentur Standard & Poor's zur Kreditwürdigkeit der USA hat weltweit für Wirbel gesorgt. An den Märkten wächst die Sorge, dass sich die Schuldenkrise in den Vereinigten Staaten zuspitzt. Die US-Regierung dagegen wies die Zweifel zurück. Präsident Barack Obama setzt fest auf eine parteiübergreifende Einigung zum Abbau des enormen Defizits. Die Kommentatoren der deutschen Tageszeitungen heben hervor, dass Obama dieser Schritt gar nicht mal ungelegen kommen könnte: Er wird so den Druck auf die Republikaner verstärken können, seinen Sparvorschlägen zu folgen.
"Seit über einem Jahr starrt die globale Anlegergemeinde wie das Kaninchen auf die Ringelnattern Griechenland, Irland und Portugal und hat darüber glatt übersehen, dass sich hinterrücks die Königskobra anschleicht", schreibt der Münchner Merkur und nennt Amerikas Schuldenkrise "tödliches Gift: für die Weltwirtschaft, die Märkte, für die Supermacht selbst. Die US-Staatsfinanzen sind außer Kontrolle: 232 Jahre haben die USA seit ihrer Gründung 1776 gebraucht, um 10 Billionen Dollar Schulden anzuhäufen - und nur drei weitere Jahre, um daraus 14,3 Billionen zu machen. In Deutschland weiß man, wie derlei gewöhnlich endet: in der Entwertung der Staatsschuld durch Inflation. Ihr irgendwie zu entfliehen – durch Anlagen in Gold, Immobilien oder Unternehmensanteilen – dürfte das Megathema an den globalen Märkten werden."
An die Wiederholung der Geschichte erinnert die Märkische Oderzeitung wenn sie schreibt: "Ungestraft kann man nicht auf Dauer über seine Verhältnisse leben. In Euro-Land nicht, wo die Defizitsünder noch lange nicht gerettet sind. Und nicht in den USA. Wo man sich daran erinnern sollte, womit einst die Ablösung des Pfundes als Leitwährung durch den Dollar viel zu tun hatte: Die Briten hatten sich immer mehr verschuldet - insbesondere bei den Amerikanern.
Die Frankfurter Allgemeine Zeitung resümiert, dass Obama der wachsenden Staatsschuld bisher mit der "Attitüde eines Bruder Leichtfuß" entgegengetreten sei. "Der Großteil der Schuldenlast, so lautet die Saga der Demokraten, gründe in der Hinterlassenschaft des Vorgängers Bush und in der Finanz- und Wirtschaftskrise. Doch es ist Obama, der auch in der jetzigen robusteren Wirtschaftserholung die Staatsschuld immer weiter in die Höhe treibt, um die Wirtschaft anzukurbeln. Während andere Länder einen mittelfristigen Defizitabbau beschlossen und mit der Umsetzung begannen, musste in Amerika die Sanierung des Staatshaushaltes hinter großen Sozialprojekten wie der Gesundheitsreform zurückstehen. Die darin enthaltenen neuen Ansprüche verschlechtern den Schuldenausblick zusätzlich."
Die Schuldenkrise, die ganz Europa in Atem hält, kommentiert auch die Augsburger Allgemeine: "Die Vereinigten Staaten von Amerika taumeln am Rande der Zahlungsunfähigkeit. Die Drohung einer großen Ratingagentur, die Bonität des bisher als erstklassig geltenden Schuldners USA demnächst herabzustufen, zeigt die ganze Dramatik der Lage. Es ist ein Warnschuss an die Adresse Washingtons, die maßlose Schuldenpolitik zu beenden. Das von einer Strategie des billigen Geldes befeuerte Leben auf Pump ist an jenem Punkt angelangt, an dem die Notenbank die Geldpresse nicht weiter beliebig anwerfen kann und das Vertrauen der internationalen Geldanleger Schaden nimmt.
"Der schon wieder wahlkämpfende US-Präsident verzettelt sich im Hickhack mit der Opposition und hat noch kein Sparkonzept gefunden. Stattdessen stellt er weiter Schecks auf Pump aus", schreibt die Nürnberger Zeitung und zählt auf: "Militäreinsätze in Afghanistan und Nordafrika, Milliardenspritzen für Autoindustrie und Banken. All das wurde und wird mit Krediten finanziert. Vielleicht bringt der Warnschuss der Rating-Agentur Standard&Poor's Bewegung in die Spardiskussion. Dann könnten die Amerikaner Vorbild sein. Denn Musterknaben in Sachen Haushaltskonsolidierung findet man nirgendwo - auch nicht in Deutschland."
Die Westdeutsche Zeitung verweist darauf, dass auch die Weltmacht USA nicht um eisernes Sparen umhin kommen werde. "Im besten Fall erfassen US-Präsident Obama und die republikanische Opposition jetzt, da eine Abstufung und damit höhere Kreditzinsen drohen, den Ernst der Lage. Vielleicht begreifen sie, dass Gelddrucken auf Dauer keine Lösung des Problems ist. Und vielleicht legen sie ihren ideologischen Streit darüber bei, welches das richtige Sparprogramm für das Land ist, und arbeiten konstruktiv an einer Lösung des Schuldenchaos'."
"Gefürchtet waren Ratingagenturen schon immer", erinnert sich die Lüneburger Landeszeitung und schlussfolgert, dass sie seit der Finanzkrise auch verhasst sind. "Doch der Schritt, erstmals die seit 1941 makellose Kreditwürdigkeit der USA in Zweifel zu ziehen, kann als mutig bezeichnet werden. US-Präsident Obama dürfte dieser Schritt nicht ungelegen kommen. Er wird so den Druck auf die Republikaner verstärken können, seinen Sparvorschlägen zu folgen. Anderenfalls könnte Obama seinen Gegnern Verantwortungslosigkeit vorwerfen. Dabei muss die US-Finanzpolitik – oder genauer gesagt die Schuldenpolitik – der vergangenen Jahrzehnte als verantwortungslos bezeichnet werden. Das Land der unbegrenzten Möglichkeiten hat eben keine unbegrenzten finanziellen Mittel. Die Erkenntnis mag bitter sein, zwingt aber zur Kehrtwende."
Quelle: ntv.de, zusammengestellt von Peter Richter