Die FDP geht in Klausur "Viel Wortakrobatik, wenig Inhalt"
28.06.2010, 20:16 Uhr
(Foto: dpa)
Auf ihrer zweitägigen Klausur wollte die FDP-Spitze einen Neustart beschließen, um aus dem Umfragetief herauszukommen. Doch "das Ergebnis ist mau", urteilt die deutsche Presse, die Partei ergehe sich in "reinem Wortgeklimper von politischen Marketing-Strategen". Vor allem Parteichef Guido Westerwelle steht dabei in der Kritik.
"Wer immer wieder neu anlaufen will, der gibt unfreiwillig zu, dass er noch nicht angekommen ist", schreibt der Fränkische Tag aus Bamberg. Und eben dies sei das Dilemma der Liberalen: "Sie haben ihren Wahlsieg vom September als Auftrag interpretiert, ihr Steuersenkungs-Thema kompromisslos umzusetzen." Sie seien Juniorpartner in einer Regierung geworden, hätten den Oppositionsgestus aber nie abgelegt, schreibt die Zeitung weiter und geht auch auf Parteichef Westerwelle ein: Dieser habe das Kunststück vollbracht, den Amtsbonus eines Außenministers nicht in Popularität umzumünzen. "Er ist in seinem Amt so wenig angekommen wie seine Partei in der Regierung."
Die Frankfurter Neue Presse hält ihr Fazit zur FDP-Klausur kurz und knapp: "Das Ergebnis ist mau." Sie unterstellt der FDP ein "Timing-Problem (Steuersenkungen fordern und Etat mit Rekordverschuldung beschließen)", aber auch ein "Zeit-Problem". Die Partei gebe ihren Mitgliedern zu wenig Raum für kluge Analysen und daraus resultierende Kurskorrekturen. Kritik an Westerwelle wird auch hier laut: "Stattdessen wird wieder einmal die Westerwelle-Strategie abgenickt: Ich gestehe ein paar Fehler ein, rede von Neujustierung der Partei, doch tatsächlich bleibt alles beim Alten. Das Ergebnis der Klausur besteht aus viel Wortakrobatik aber wenig Inhalt." Wer innerparteiliche Gegensätze totschweigt, anstatt eine gemeinsame Linie festzulegen, werde nicht geschlossen auftreten, schreibt die Zeitung abschließend.
Leere Worthülsen befürchtet auch der Mannheimer Morgen, der bereits "die parteiinterne Aufbruchstimmung zu einem reinen Wortgeklimper von politischen Marketing-Strategen" verkommen sieht. Die Ergebnisse der Klausur hält die Zeitung für dürftig: "Mit kleinen Kurskorrekturen, wie von Parteichef Guido Westerwelle angekündigt, einem offenen Diskussionsstil und einer größeren Arbeitsteilung dürfte das desaströse Erscheinungsbild jedenfalls nicht korrigiert werden können." Dabei seien die Reform-Bereiche auf der Klausurtagung bereits abgesteckt gewesen: "Haushaltskonsolidierung, Bildung, Bürgerrechte und Steuerpolitik - in exakt dieser Reihenfolge." Doch dann habe die Parteioberen offenbar der Mut verlassen, schreibt der "Mannheimer Morgen" weiter.
Die Stuttgarter Zeitung nimmt sich vor allem FDP-Chef Westerwelle vor: "Er ist selbstkritisch aus taktischem Kalkül, nicht aus Überzeugung. Er spricht von inhaltlicher Neuausrichtung, ohne das programmatische Einbahnstraßenschild abzubauen, mit dem er die Richtung der Partei über Jahre vorgegeben hat. Er sagt den innerparteilichen Reformern um Generalsekretär Christian Lindner mit seiner Absage an größere Kurskorrekturen den Kampf an und gibt zugleich den Friedensengel der Partei, der Denkverbote ablehnt." Westerwelle ducke sich mit folgenlosen Demutsgesten weg, um dann, wenn der Sturm sich legen sollte, weiter zu machen wie bisher, lautet das Fazit der Zeitung. "Für die anstehende Programmdebatte, die Generalsekretär Lindner mit großen Erwartungen auflud, verheißt das nichts Gutes. Für die FDP erst recht nicht", heißt es abschließend.
Quelle: ntv.de