Maßnahmen nach Rüstungsgutachten Von der Leyen "haftet mit politischer Zukunft"
06.10.2014, 18:49 Uhr
Zu teuer, zu spät, zu schlecht: Ein externes Gutachten über die Rüstungsprojeke der Bundeswehr listet gravierende Mängel auf. Für Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen beginnt mit dem Dokument eine gefährliche Mission: Sie wird in den nächsten Wochen und Monaten Entscheidungen treffen müssen, die äußerst riskant sein können. Bei den Projekten - vom Transportflugzeug A400M über das Raketenabwehrsystem Meads bis zur Skandal-Drohne "Euro Hawk" - geht es immerhin um insgesamt 57 Milliarden Euro. Doch kann von der Leyen das Ruder herumreißen? Oder wird der Posten für die Kronprinzessin der CDU immer mehr zum Schleudersitz? Die Kommentatoren der deutschen Presse diskutieren.
Die Märkische Allgemeine bezeichnet das Ergebnis des Prüfberichts - vor allem für die Steuerzahler - als "niederschmetternd": "Eine ineffiziente Rüstungsbürokratie, viel zu wenig Experten und zerfaserte Strukturen sind nur ein Teil davon". Das Blatt aus Potsdam zollt der Verteidigungsministerin indes Respekt: "Von der Leyen macht nun Schluss mit der bisherigen Praxis, dass ein Minister besser nicht viel über die Probleme bei neuen Großprojekten wissen sollte. Der Umbau der Rüstungsstrukturen ist jetzt ihr Top-Thema. Ein Risiko: Die Ministerin haftet mit ihrer politischen Zukunft".
Für die Stuttgarter Zeitung ist der Prüfbericht "auch eine kühl kalkulierte Ohrfeige für die Parteigenossen de Maizière, Guttenberg und Co., bei denen von der Leyen alle Schuld ablädt, um unbelastet in die Offensive zu gehen. Das ist konsequent und legitim. Doch von nun an wird sie mit besonders strengen Maßstäben an den Resultaten gemessen, eine fortgesetzte Ankündigungspolitik würde niemand durchgehen lassen. Viel Zeit bleibt ihr nicht."
Auch die Rhein-Zeitung ist überzeugt, dass die nächsten Wochen "über die Zukunft der als Kronprinzessin von Angela Merkel gehandelten Ursula von der Leyen entscheiden" werden: "Wird die resolute Familien- und spätere Arbeitsministerin wie so viele vor ihr am Verteidigungsressort scheitern? Es ist angesichts der Probleme bei Ausstattung und Abläufen in der Bundeswehr, die in den vergangenen Tagen zum Vorschein kamen, nicht ausgeschlossen. Sie selbst räumte jetzt bei der Vorstellung des beunruhigenden Berichts der Unternehmensberater zum Zustand der Rüstungsprojekte ein, vor 'harten Managementaufgaben' zu stehen. Daran, wie sie diese meistert, muss sie sich messen lassen."
Die Süddeutsche Zeitung aus München konstatiert: "Sollte es von der Leyen gelingen, den Rüstungssektor auf Vordermann zu bringen, wäre das eine herausragende Leistung - von der wohl nicht sie selbst, sondern erst irgendein Nachfolger profitieren würde. Ein erster Schritt wäre es, in Ruhe über Konsequenzen aus der Studie nachzudenken, die sie in Auftrag gegeben hat. Auch um den Preis, vielleicht einmal ein paar Tage lang nichts zu verkünden zu haben."
Nach Ansicht der Zeitungsgruppe Straubinger Tagblatt/Landshuter Zeitung sollte es "selbstverständlich sein, dass künftig die besten Juristen des Verteidigungsministeriums die Verträge mit der Industrie aushandeln sowie strenge Strafen bei Nichteinhaltung oder Mängeln vereinbaren. Auch ein Umbau des Ministeriums und die Gründung einer eigenen Agentur für Beschaffungswesen liegen nahe, um die Unkultur der organisierten Wehrlosigkeit im Wehrressort zu beenden. Ursula von der Leyen hat mit dem 1500-seitigen Gutachten eine starke Argumentationshilfe auf ihrer Seite: So kann es im Verteidigungsministerium nicht weitergehen".
Die Wetzlarer Neue Zeitung fasst zusammen: "Ursula von der Leyen (CDU) ist Oberbefehlshaberin einer Bundeswehr, die viele Krisenherde bekämpfen muss - in der eigenen Organisation. Flugzeuge, die nicht fliegen, Rüstungsprojekte, deren Kosten in astronomische Höhen schießen, Auslandseinsätze, für die weder Personal noch Ausrüstung passend sind - die Liste an Problemen ist schier endlos lang. Will von der Leyen in der Tat eines Tages ins Kanzleramt einziehen, muss sie wohl oder übel den Kampf gegen die Probleme der Bundeswehr aufnehmen. Ihr politischer Untergang ist dabei greifbar nahe - wenn sie es geschickt angeht, kann sie sich allerdings auch als Kronprinzessin der Union aufbauen, mit innen- und außenpolitischer Erfahrung. Die nächsten Schritte werden entscheidend sein".
Zusammengestellt von Susanne Niedorf
Quelle: ntv.de