Pressestimmen

Die Koalition in der Krise "Wie auf einem Bolzplatz"

Kaum beschlossen, stößt das Sparpaket selbst in der Koalition auf starke Kritik, die FDP befindet sich in einem neuen Umfragetief, die Opelfrage spaltet die Regierung und der Präsidentschaftskandidat Wulff ist alles andere als sicher. Jetzt bräuchte es eine Kanzlerin, die für Ordnung sorgt. Aber Angela Merkel schafft es nicht, ihre Regierungstruppe unter Kontrolle zu bringen: Wie lange kann diese Koalition noch halten?

Angela Merkel: eine "Kanzlerin des Kleingeistes"?

Angela Merkel: eine "Kanzlerin des Kleingeistes"?

(Foto: dpa)

"Merkel hat sich unter Schwarz-Gelb von einer Präsidialkanzlerin zu einer Kanzlerin des Kleingeistes gewandelt", findet die Süddeutsche Zeitung. "Sie ist gefangen im immer engeren Korsett ihrer Koalition; sie kann oder will keine Entscheidung mehr treffen, die über dieses Korsett hinaus weist. Das ist der Grund, warum Christian Wulff ihr Präsidentschaftskandidat wurde. Und es ist der Grund dafür, dass sie aus Rücksicht auf die FDP keine Steuererhöhung für Gutverdiener erkämpfte." Was passiert, wenn Merkels Kandidat am 30. Juni scheitert? Zwar könne sich niemand ausmalen, dass Schwarz-Gelb auseinanderbrechen könnte, aber "es gibt in der Koalition immer mehr, die nicht mehr ausschließen, dass es passieren würde. Krisen haben seit jeher ihre eigenen Gesetze."

Der Express (Köln) kann sich bei dem Polit-Gerangel kaum vorstellen, dass die Regierung noch drei Jahre so weitermachen kann wie bisher und sagt's in WM-Bildern: "In der schwarz-gelben Koalition von Kanzlerin Merkel geht es zu wie auf einem Bolzplatz, auf dem sich die Spieler der eigenen Mannschaft mit Blutgrätschen gegenseitig foulen und mit wüsten Schimpfkanonaden überhäufen. Und obendrein schmeißen noch Provinzfürsten von FDP und Union jede Menge Rauchbomben aufs schwarz-gelbe Spielfeld. Der momentane Zustand der Merkel-Truppe ist jämmerlich. Wenig gelingt noch und wenn doch, dann nur mit Ach und Krach. Kaum hat man sich beim Sparpaket auf den kleinsten gemeinsamen Nenner geeinigt, wird das gerade Vereinbarte von einigen zerfleddert. Wieder andere drohen damit, die Wahl des eigenen Kandidaten Wulff zum Präsidenten zu boykottieren. Selten hat sich eine Regierung innerhalb von so kurzer Zeit selbst entzaubert und demontiert. Und das soll noch drei Jahre gut gehen? Schwer zu glauben, es sei denn, man kommt zur Vernunft."

Die Stuttgarter Zeitung verdeutlicht den Zustand der Regierung am Beispiel von Opel: "Längst geht es nicht mehr nur um Opel, es geht auch um die Frage, wie die Regierung auf dieser Grundlage noch zusammenarbeiten will. Ein Kabinett, in dem einzelne Mitglieder mehr gegeneinander als miteinander agieren, kann nicht erfolgreich sein. In der Sache hat der Wirtschaftsminister die besseren Argumente. Auch wenn die Enttäuschungen der Opel-Beschäftigten nur allzu verständlich sind, die seit eineinhalb Jahren um die Zukunft ihres Arbeitgebers bangen, darf sich die Politik nicht überfordern. Die Regierung kann nicht jedem Unternehmen in Schwierigkeiten helfen."

Und was macht die FDP? Wäre jetzt Bundestagswahl, würden nur fünf Prozent der Wähler den Liberalen ihre Stimme geben. Kein Wunder, findet die Hessische/Niedersächsische Allgemeine (Kassel), denn der Partei fehlt eindeutig "die ideelle und programmatische Legitimation. Das Monothema Steuern zieht nun erst recht nicht mehr, wo viele Bürger mit einer Steuererhöhung für Reiche die Beteiligung aller an den Lasten der Gesellschaft fordern. Ähnlich wie im Bereich der Sachthemen hat es die Westerwelle-Partei versäumt, ihre Kompetenz sichtbar auf unterschiedliche Schultern zu verteilen. Dies wird umso schmerzhafter deutlich, als das aktuelle Personal im Rampenlicht hilflos wie Gesundheitsminister Philipp Rösler oder unbedarft wie Wirtschaftsminister Rainer Brüderle agiert. Dass die FDP zugleich in NRW mit der Ampel andere Optionen sucht, wird ihr höchstens kurzfristig helfen. Solange sie sich an den wie ein großer Zampano auftretenden Parteichef und ein einziges Thema kettet, wird sie sich nicht erholen.'"

Quelle: ntv.de, Zusammengestellt von Katja Sembritzki

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