Bundespräsident im Fernsehinterview "Wulff gewinnt Vertrauen nicht zurück"
04.01.2012, 21:08 UhrChristian Wulff verpasse erneut die Chance, klar Schiff zu machen, meint n-tv.de. In diesen Tenor stimmt auch die restliche Presse ein. Er habe kein politisches Gewicht mehr, könne Redlichkeit, Unabhängigkeit und Vertrauen nicht zurückgewinnen. Dieser Bundespräsident wolle seine Lage einfach nicht erkennen und bleibe sich so auf fatale Weise selbst treu.
Die Frankfurter Allgemeine Zeitung meint, dass sowohl Christian Wulffs Erklärung vor den Weihnachtsfeiertagen als auch das nun ausgestrahlte Fernsehgespräch nur "unter äußer(st)em Druck zustande gekommen" seien – keine Spur "von innerer Souveränität". Tagelang sei bereits über mögliche Nachfolger(innen) oder neue Bestellungsprozeduren für das Bundespräsidentenamt debattiert worden – das zeige dem Blatt deutlich, was die Außenwelt über Wulff denke. Doch die Zeitung räumt ein: "Die Kompetenzen des Bundespräsidenten sind schmal (was zur moralischen Überhöhung des Amtes beigetragen haben mag). Deshalb kann die Republik auch einen Präsidenten auf Bewährung ertragen." In der Konsequenz werde jedoch das Ansehen der Politiker weiter sinken.
"Wem nützt ein Präsident, der kaum noch politisches Gewicht erlangen kann?", fragt die Märkische Oderzeitung. "Einfluss und Ansehen lassen sich nur durch Vertrauen erreichen. Genau das Vertrauen auf seine Worte, in seine Redlichkeit und Unabhängigkeit hat Christian Wulff auch mit dem gestrigen Auftritt nicht wiedergewonnen", konstatiert das Blatt. Deshalb bleibe dieser Bundespräsident weiter sprachlos – "trotz aller rhetorischen Trickserei und rabulistischen Erklärungen". Seine Verschanzung im Schloss Bellevue diene nicht dem Schutz des Amtes. Vielmehr wolle sich Wulff über die Zeit retten, meint die Zeitung aus Frankfurt/Oder weiter. "Dadurch bleibt das oberste Verfassungsorgan nur noch dem Spott seiner Bürger ausgesetzt. Das ist nur peinlich. Für diesen Präsidenten ist das Amt mindestens drei Nummern zu groß."
Die Süddeutsche Zeitung nimmt einen Bundespräsidenten wahr, der derzeit all seine Kraft darauf verwende, "sich zu erklären und seine Fehler zu entschuldigen". Damit sei er "ein Präsident Laokoon – einer, der sich in seinen Widersprüchen verwickelt hat, von ihnen gewürgt wird und sich mit einer und noch einer öffentlichen Erklärung Luft zu verschaffen sucht. Er ist ein Präsident, der sich in seiner Schwäche an seinem Amt festhält, weil ihm das Amt den Halt gibt, den er ansonsten nicht hat. Der Bundespräsident übt, so steht es im Grundgesetz, das Gnadenrecht aus; Christian Wulff ist der erste Bundespräsident, der sich selbst begnadigt."
Zu demselben Schluss kommt auch der Münchner Merkur – auch dieses Blatt nennt Gnadengesuche durchaus die Sache des Bundespräsidenten. "Aber bitte nicht in eigener Sache", mahnt es an. Denn "zur vielbeschworenen Würde des Bundespräsidentenamtes gehört auch, dass sein Inhaber erkennt, wann er dem Amt nicht mehr dienen kann. Der Moment ist, unabhängig von der Verfehlung, spätestens dann erreicht, wenn die Bürger, statt zuzuhören, verächtliche Bemerkungen machen, sobald der Präsident spricht. Eine solche Miniaturisierung hat das Amt, in dem Theodor Heuss und Richard von Weizsäcker Maßstäbe setzten, nicht verdient. Doch Christian Wulff will seine Lage nicht erkennen, rettet sich in immer neue Entschuldigungen. (…)"
Auch die Heilbronner Stimme watscht Wulff ab, denn er habe nichts erklärt, sondern Sachverhalte weiter verklärt. "Damit bleibt er ein Präsident auf Abruf. Einer, der seinen oft formulierten eigenen moralischen Ansprüchen nicht mehr gerecht wird." Die Aussagen des Bundespräsidenten im Fernsehinterview seien "beschämend" gewesen. "Seine zinsgünstigen Kredite seien nichts Ehrenrühriges, kostenlosen Urlaub bei Freunden würde er immer wieder machen. Wulff bleibt sich auf fatale Weise treu. Damit kann er das Ansehen seines Amtes nicht wiederherstellen."
Quelle: ntv.de