Verbraucherschützer vs. Banken Bündnis gegen Wucher startet
11.01.2018, 13:38 Uhr
In besonders schweren Fällen steht auf Wucher eine Gefängnisstrafe.
(Foto: imago/blickwinkel)
Wucher ist eigentlich per Strafgesetzbuch verboten und dennoch Alltag in Deutschland. Besonders Geldinstitute machen sich Zwangslagen von Verbrauchern zunutze, um unverhältnismäßig abzukassieren - bisher ungestraft. Das wollen die Verbraucherzentralen nun ändern.
Eigentlich ist das Wucherverbot in Paragraf 291 des Strafgesetzbuches klar geregelt. Wucher begeht demnach, wer "die Zwangslage, die Unerfahrenheit, den Mangel an Urteilsvermögen oder die erhebliche Willensschwäche eines anderen dadurch ausbeutet, dass er sich oder einem Dritten 1. für die Vermietung von Räumen zum Wohnen oder damit verbundene Nebenleistungen, 2. für die Gewährung eines Kredits, 3. für eine sonstige Leistung oder 4. für die Vermittlung einer der vorbezeichneten Leistungen Vermögensvorteile versprechen oder gewähren lässt, die in einem auffälligen Missverhältnis zu der Leistung oder deren Vermittlung stehen" und "in besonders schweren Fällen … 1. durch die Tat den anderen in wirtschaftliche Not bringt, 2. die Tat gewerbsmäßig begeht, …". In besonders schweren Fällen ist bei Wucher die Verhängung einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren möglich.
Soweit die Theorie. Doch das Verbot findet in der Praxis kaum Anwendung, weil der Wucher zum System geworden ist. Verbraucher werden zwar selten "ausgebeutet". Sie verfangen sich aber in wucherischen Systemen, die als solche nicht strafbar sind. Dazu gehören Kombinationsverträge, Inkassogebühren, Zinsen für totes Kapital, Familienmithaftung, Kettenverträge, Umschuldungen und "risikoadjustierte Preissysteme", wie das heute gegründete "Bündnis gegen Wucher" beklagt.
Die Verbraucherzentralen Sachsen und Hamburg, das Institut für Finanzdienstleistungen (Iff) und der Hamburger Rechtsanwalt Prof. Dr. Udo Reifner wollen so gemeinsam Banken-Wucher eindämmen und Rechtssicherheit für Verbraucher schaffen. Zunächst fokussiert sich das Bündnis auf Bereiche, in denen viele Kunden ihrer Bank überhöhte Preise zahlen oder in einer Kostenfalle landen.
Kostenfalle Restschuldversicherung
Seit Jahren vergeben laut dem Bündnis verschiedene Institute systematisch Verbraucherkredite, deren Gesamtkosten im Bereich des Wuchers liegen. Demnach wurde bei der Kreditaufnahme Verbrauchern mehr Sicherheit durch Restschuldversicherungen suggeriert. Stattdessen bringen sie aber oft nur den Banken mit Sicherheit Geld. Die Auswirkungen auf die Kreditnehmer sind oft gravierend. "Viele Betroffene sind psychisch stark belastet, weil sie die Raten kaum noch oder nicht mehr aufbringen können. Nicht selten kann die Situation nur über eine Verbraucherinsolvenz gelöst werden. Auch dem Staat entstehen dadurch hohe Kosten", so Iff-Direktor Dirk Ulbricht. "Hier muss etwas passieren."
Kettenkredite, hohe Zinsen und Umschuldung
Auch verschiedene Kreditformen werden bemängelt, so zum Beispiel Dispo- oder Kreditkartenkredite mit Zinssätzen von 12 bis 16 Prozent pro Jahr. Die Targobank verlange zum Beispiel 12,43 Prozent Zinsen pro Jahr, wenn die vertraglich vereinbarte Überziehung des Plus-oder Komfort-Girokontos über 50 beziehungsweise 100 Euro hinausgeht.
Für die Mastercard select werden laut Bündnis 16,18 Prozent pro Jahr gefordert. Noch besser verdient diese Bank am Verkauf ihrer "Individual-Kredite" mit Kreditlebensversicherung. "Es ist unseres Erachtens moderner Wucher, wenn im Zusammenhang mit der Aufnahme eines Nettokredits über 24.000 Euro eine Kreditlebensversicherung zum Preis von knapp 8000 Euro mitverkauft wird", erklärt Michael Knobloch, Vorstand der Verbraucherzentrale Hamburg. Demnach kommt es regelmäßig dazu, dass Kreditnehmer diese finanzielle Last nicht mehr tragen können. Es folgen ebenfalls teure Umschuldungen.
Das Bündnis hat es sich zur Aufgabe gemacht, solche Fälle an die Öffentlichkeit und vor Gericht zu bringen. Dazu ist es nötig, die Fälle rechnerisch aufzuarbeiten. Mit Hilfe eines neuen Rechentools kann in Kürze Wucher leicht nachgewiesen werden. Diese Überprüfungen können bei den Verbraucherzentralen Sachsen und Hamburg sowie beim Iff durchgeführt werden.
Quelle: ntv.de, awi