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Kommt die indirekte Helmpflicht? Radfahrer hoffen auf den BGH

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Ein Fahrradhelm verhindert keine Unfälle. Manchmal sorgt er dafür, dass deren Folgen geringer ausfallen. Müssen Radfahrer ohne Helm mithaften, wenn sie Kopfverletzungen bei einem Unfall davontragen, den sie nicht verschuldet haben?

Ein Fahrradhelm schützt Radfahrer nicht vor Unfällen, sondern allenfalls vor deren Folgen.

Ein Fahrradhelm schützt Radfahrer nicht vor Unfällen, sondern allenfalls vor deren Folgen.

(Foto: dpa)

Helm oder nicht Helm? Besorgte Eltern erinnern ihre Kinder täglich daran, Alltagsradler verzichten dagegen meist auf den Kopfschutz. Klar ist: Eine Helmpflicht besteht für Radfahrer in Deutschland nicht. Doch sie könnte quasi durch die Hintertür kommen. Der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe entscheidet am Dienstag, ob Radfahrer nach einem unverschuldeten Unfall eine Mitschuld an eigenen Verletzungen treffen kann, wenn sie keinen Helm getragen haben.

Konkret geht es um einen Fall aus dem Frühjahr 2011. Eine Physiotherapeutin war mit dem Fahrrad auf dem Weg zu ihrer Praxis in Glücksburg an der Flensburger Förde. Plötzlich öffnete sich die Tür eines rechts am Fahrbahnrand parkenden BMW. Die damals 58-Jährige hatte keine Chance mehr auszuweichen. Sie fuhr gegen die Tür, stürzte und schlug mit ihrem Hinterkopf auf dem Boden auf. Zweifacher Schädelbruch, Blutungen und Hirnquetschungen waren die Folge.

Die Schuldfrage war schnell geklärt. Die BMW-Fahrerin hätte sorgfältig nach hinten schauen müssen, ehe sie die Autotür öffnete. Und dennoch: Für die Folgekosten des Unfalls will die Versicherung der Autofahrerin nur teilweise aufkommen. Weil sie keinen Schutzhelm getragen habe, treffe die Radfahrerin ein hälftiges Mitverschulden an ihren eigenen Kopfverletzungen.

"Ordentlicher Mensch trägt Helm"

Auch nach Überzeugung des Oberlandesgerichts (OLG) Schleswig war "das Nichttragen eines Schutzhelms" ursächlich für das Ausmaß der Kopfverletzungen. Nach heutiger Anschauung sei davon auszugehen, "dass ein ordentlicher und verständiger Mensch zur Vermeidung eigenen Schadens beim Radfahren einen Helm tragen wird". Im konkreten Fall der Physiotherapeutin setzte das OLG die Mitschuld auf immerhin 20 Prozent fest.

Bundesweit sind sich die Instanzgerichte in dieser Frage uneins. Das OLG Schleswig war allerdings das erste Obergericht, das einer Radfahrerin eine Mitschuld zuschrieb. Nun wird nun der BGH den Streit höchstrichterlich klären.

Folgen die Karlsruher Richter dem OLG Schleswig, könnten die Haftpflichtversicherer einen Teil ihrer Kosten an die gesetzliche Kranken- und Unfallversicherung weiterreichen. Dennoch hält sich die Versicherungswirtschaft im Helmstreit eher bedeckt. "Aus Sicht der Unfallforschung sind Helme sinnvoll und in vielen Fällen lebensrettend, deshalb empfehlen wir das Tragen eines Radhelms", heißt es zurückhaltend beim Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft in Berlin.

ADFC erwartet, dass das Urteil kippt

Eindeutig dagegen die Position des Radler-Verbandes ADFC: Der Verband hat die Revision der Radlerin unterstützt. "Der ADFC hält das Schleswiger Urteil für falsch - und erwartet, dass der BGH eine Mitschuld der Radfahrerin ablehnt", erklärte die Organisation in Berlin. Jemandem eine Mitschuld aufzubürden, der eigentlich keine Mitschuld trägt, sei "paradox".

Eine Helmpflicht, auch durch die Hintertür, wäre für die Radler-Lobby "unverhältnismäßig". Radfahren sei schließlich keine Risikosportart. Für Kinder, ältere Menschen oder besonders sportliche Radler sei der Helm empfehlenswert. Allerdings verhindere ein Helm keine Unfälle und werde als Sicherheitskonzept stark überbewertet. "Die Sicherheit von Radfahrern verbessert sich in erster Linie durch intelligente Radwegekonzepte und vor allem durch aufmerksame Autofahrer", findet ADFC-Bundesgeschäftsführer Burkhard Stork.

Gegen eine Helmpflicht ist auch der zuständige Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU). "Die Einführung einer Helmpflicht steht für mich derzeit nicht zur Debatte", sagte er dem "Focus" laut Vorabmeldung vom Sonntag.

Nach vom ADAC zitierten Zahlen der Bundesanstalt für Straßenwesen waren es 2012 vor allem die Sechs- bis Zehnjährigen (66 Prozent) und die Elf- bis 16-Jährigen (29 Prozent), die einen Fahrradhelm getragen haben. Insgesamt betrug die "Helmtragequote" aber nur 13 Prozent.

Quelle: ntv.de, Martin Wortmann, dpa

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