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Berlin & Brandenburg "Klatsche" für SPD bei OB-Wahl in Potsdam – Parteilose siegt

Seit 1990 stellt die SPD das Stadtoberhaupt in Potsdam. Doch bei der Oberbürgermeisterwahl unterliegt ihr Kandidat haushoch. Die parteilose Bewerberin Noosha Aubel übernimmt den Posten.

Potsdam (dpa/bb) - Die SPD verliert in Potsdam nach 35 Jahren den Posten des Oberbürgermeisters. Bei der Stichwahl in der brandenburgischen Landeshauptstadt konnte die parteilose Kandidatin Noosha Aubel triumphieren: Sie bekam 72,9 Prozent der Stimmen. SPD-Kandidat Severin Fischer blieb mit 27,1 Prozent chancenlos, wie aus dem vorläufigen Ergebnis hervorgeht. 

Auch in Frankfurt (Oder) siegte ein parteiloser Kandidat: In der viertgrößten Stadt Brandenburgs gewann Axel Strasser die Oberbürgermeister-Stichwahl gegen den AfD-Kandidaten Wilko Möller.

Wahlsiegerin mit Sprechchor empfangen

In Potsdam wurde die jubelnde Wahlsiegerin Aubel mit "Noosha, Noosha, Noosha"-Sprechchor empfangen. "Ich bin ehrlich gesagt überwältigt im Moment." Sie gewann alle 131 Wahlbezirke und wird die erste Frau an der Potsdamer Rathausspitze seit 1984. "Das macht mich unfassbar glücklich, dass die Menschen Veränderung gewählt haben." Vor dem spannenden Abend ging sie am Wahltag ins Kino - "das war eine ganz gute Ablenkung".

Besonders gefeiert wird ihr weißes T-Shirt auf dem in pinker Schrift steht: "Wir sind Oberbürgermeisterin." Auf der Rückseite steht gedruckt, dass sie eine Wohnung in Potsdam sucht. Für sie, ihren Mann, den sie scherzhaft als Potsdams "First Lady" bezeichnete, und ihre Töchter steht nun ein Umzug bevor, denn aktuell arbeitet sie noch als Dezernentin in Flensburg. 

Erste Schritte 

Wie ihre erste Bilanz aussehen sollte? "In 100 Tagen sollte deutlich werden, dass ich das, was ich zugesagt habe, eingelöst habe, dass ich nach wie vor zum Gespräch bereit bin, greifbar bin, dass ich die ersten Beteiligungsformate entwickelt habe."

Als Erstes wolle sie nun mit Kolleginnen und Kollegen im Haus sprechen, wie sie die Transformation der Verwaltung gemeinsam hinbekommen. Ganz oben auf der Agenda stehe das Thema Wohnraum. Sie möchte einerseits schauen, wie bestehender Wohnraum besser genutzt und verteilt werden könne, sagte Aubel. "Wir werden auf jeden Fall nachverdichten müssen. Wir werden auch Neubau ertüchtigen müssen und das gemeinsam mit starken Partnern, die wir aber so binden, dass die Mieten eben bezahlbar bleiben."

Enttäuschung für Fischer 

Gedrückte Stimmung herrschte beim Wahlverlierer: "Es ist schon Enttäuschung da", sagte der SPD-Kandidat Fischer. Allerdings sei er mit einer "Hypothek" in den Wahlkampf gegangen angesichts der Abwahl des früheren SPD-Oberbürgermeisters im Mai dieses Jahres. Ist für den Berliner Wirtschaftsstaatssekretär damit die Episode Potsdam abgehakt? "Ein Stück meines Herzens gehört dieser Stadt", sagte er der Nachrichtenagentur dpa.

"Klare Klatsche" für SPD

Für die SPD ist das Ergebnis bitter. SPD-Generalsekretär Kurt Fischer sprach am Abend von einer "klaren Klatsche". Der OB-Kandidat sei in einer schwierigen Situation in die Bresche gesprungen. Die Abwahl von Oberbürgermeister Mike Schubert sei "großer Ballast" für die SPD gewesen, so Fischer. Er kündigte an, dass die Sozialdemokraten in Potsdam zur konstruktiven Zusammenarbeit zum Wohle Potsdams bereit seien.

Schon im ersten Wahlgang im September lag die frühere Potsdamer Beigeordnete Aubel mit deutlichem Abstand vorn. Die Einzelbewerberin, die unter anderem von den Grünen, Die Andere, Volt und dem BfW unterstützt wird, präsentierte sich als überparteiliche Kandidatin. Von 2017 bis 2013 war Aubel Beigeordnete für Bildung in Potsdam.

Wahlkampf nahm an Schärfe zu

Mit Severin Fischer setzte die SPD auf einen Kandidaten von außen. Der Berliner Wirtschaftsstaatssekretär ist enger politischer Wegbegleiter von Senatorin Franziska Giffey. Er und Aubel hatten sich in der ersten Runde gegen Clemens Viehrig (CDU), Chaled-Uwe Said (AfD), Dirk Harder (parteilos, für Linke), Michael Reichert (BVB/Freie Wähler) und Alexander D. Wietschel (Die Partei) durchgesetzt.

Im Wahlkampf gab es zuletzt scharfe Töne. OB-Kandidat Fischer sprach von "grünen Experimenten". Die Ex-Oberbürgermeister Matthias Platzeck und Jann Jakobs hatten zum Beispiel davor gewarnt, dass Aubel eine autofreie Stadt wolle. Sie setzt sich allerdings für eine autoarme Innenstadt ein und sprach von einer "Diffamierungskampagne".

Früherer OB Schubert wurde abgewählt

Die vorgezogene Abstimmung wurde notwendig, weil der frühere SPD-Oberbürgermeister Schubert nach Kritik an seiner Amtsführung per Bürgerentscheid abgewählt wurde. Mehrere Stadtfraktionen warfen ihm Missmanagement und Stillstand vor. Er galt auch wegen einer Affäre um kostenlose Eintrittskarten für Sportveranstaltungen als beschädigt.

Seit der deutschen Wiedervereinigung 1990 stellte die SPD den Oberbürgermeister der Brandenburger Landeshauptstadt. Nach Horst Gramlich (1990 bis 1998) folgten Matthias Platzeck (1998 bis 2002), der danach Brandenburger Ministerpräsident wurde, sowie Jann Jakobs (2002 bis 2018) und Mike Schubert (2018 bis 2025). Aubel ist nicht die erste Frau an der Stadtspitze: Brunhilde Hanke war von 1961 bis 1984 OB von Potsdam, sie starb 2024.

Quelle: dpa

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