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Hamburg & Schleswig-Holstein Tod in der Badewanne – Prozess gegen Pflegekraft eingestellt

Weil sie zu einem Notfall gerufen wird, lässt eine Mitarbeiterin den Bewohner einer Hamburger Pflegeeinrichtung allein in der Badewanne sitzen. Er ertrinkt. Jahre später kommt der Fall vor Gericht.

Hamburg (dpa/lno) - Nach dem Tod eines 53-Jährigen in der Badewanne einer Hamburger Pflegeeinrichtung ist der Strafprozess gegen eine Pflegerin wegen fahrlässiger Tötung eingestellt worden. Zuvor hatten sich die Beteiligten darauf verständigt, dass die Angeklagte dem Bruder des Toten 1.000 Euro zahlt – sozusagen als Schmerzensgeld, wie die Amtsrichterin ausführte. Auch der Verteidiger stimmte der Zahlung im Namen seiner Mandantin "aus reinem Erledigungsinteresse" zu.

Der Vorfall hatte sich im Oktober 2021 in einer Wohn- und Pflegeeinrichtung in der Rosmarinheide im Stadtteil Langenhorn ereignet: Die Angeklagte hatte den körperlich und geistig schwer eingeschränkten Mann nach eigenen Angaben gerade gebadet, als sie zu einem Notfall gerufen wurde: Eine andere Bewohnerin der Einrichtung hatte einen epileptischen Anfall erlitten. 

Mann ertrank in Wanne, während Pflegekraft Notfall behandelte

"Es ist ein Dilemma gewesen", sagte die Verteidiger der 29-Jährigen, die bis zu dem Vorfall bereits seit fünf Jahren in der Einrichtung gearbeitet hatte. Nach eigenen Angaben kannte sie den Mann gut und hatte ihn viele Male gebadet, ohne dass es dabei zu Schwierigkeiten gekommen sei. 

Überhaupt habe sich der Mann immer über ein Bad gefreut, sagte sie. Am Tag des Vorfalls habe er "gejammert". Deshalb habe sie ihm eine Freude machen wollen. "Ich habe geschaut und gesehen, dass er seit zwei Wochen nicht mehr gebadet hatte", erinnerte sie sich. 

Als sie ihn schließlich mit einem Badestuhl in die Wanne gesetzt hatte, sei sie angerufen worden. Der Fahrer, der andere Bewohner der Einrichtung mit einem Bus zu ihren Arbeitsstellen und zurück bringe, habe ihr mitgeteilt, dass eine Bewohnerin einen epileptischen Anfall erlitten habe und er sich nicht zu helfen wisse.

Pflegekraft war die einzige Fachkraft auf sich gestellt

Da es sich bei einem epileptischen Anfall um einen – wie der Verteidiger ausführte – lebensbedrohlichen Vorfall handelte, habe die Frau es für vertretbar gehalten, den Mann kurz unbeaufsichtigt zu lassen, zumal in dem Moment keine andere Pflegekraft verfügbar gewesen sei.

Normalerweise seien für die fünf Pflegebedürftigen unter den insgesamt elf Bewohnern der Einrichtung zwei Fachkräfte für die Betreuung vorgesehen. Am fraglichen Nachmittag sei mit ihr aber nur noch eine schon pensionierte und nicht in der Pflege ausgebildete Frau in der Einrichtung tätig gewesen. Auch sie selbst sei an dem Tag nur kurzfristig für eine andere Kollegin eingesprungen, sagte die 29-Jährige.

Nachdem sie das Badezimmer verlassen hatte, habe sie sich vor der Tür der Einrichtung noch in dem Bus um die unter starken Krämpfen leidende Epileptikerin gekümmert. Nach circa fünf Minuten sei sie dann zurück ins Badezimmer geeilt und habe dort den 53-Jährigen leblos in der Wanne gefunden, der laut Anklage zwischenzeitlich durch die Armlehnen des Badestuhls ins Wasser gerutscht war.

Wiederbelebung erweist sich als besonders schwierig

Sie habe den Notruf gewählt und sofort mit Herzdruckmassage und Mund-zu-Mund-Beatmung Wiederbelebungsversuche unternommen, sagte die 29-Jährige. Die Herzdruckmassage habe sich aber aufgrund einer Knochendeformation des unter Skoliose leidenden Mannes als schwierig erwiesen. Außerdem habe seine Zunge die Beatmung blockiert, schilderte die Frau, wobei sie immer wieder mit den Tränen kämpfte.

Sie habe den Notruf erneut angerufen, um zu erfahren, wie man unter solchen Umständen eine Wiederbelebung durchführen könne. Auch das ohne Erfolg: "Als er angefangen hat zu erklären, war der Akku alle", sagte die Frau mit Blick auf den Akku des Telefons. Schließlich habe sie auch aus dem Fenster um Hilfe gerufen – ebenfalls vergebens. Die dann eintreffenden Rettungssanitäter hätten dem Mann nicht mehr helfen können. 

Angeklagte nach Vorfall jahrelang in psychischer Behandlung

Ihr Anwalt gab an, dass bei seiner Mandantin nach dem Vorfall eine posttraumatische Belastungsstörung diagnostiziert worden sei, wegen der sie jahrelang teils auch in stationärer Therapie gewesen sei. Wegen der Erlebnisse könne sie nicht mehr in der Pflege arbeiten. Als sogenannte Familienassistenz unterstütze sie inzwischen Familien mit behinderten Kindern.

Um in dem Fall den Schuldvorwurf einer fahrlässigen Tötung aufrechtzuerhalten, seien weitere Nachermittlungen und die Vernehmung diverser Zeugen nötig, sagte die Richterin nach einer Unterbrechung der Verhandlung. Zudem seien Fragen zum Personalschlüssel der Einrichtung und zur Personalsituation während des Vorfalls zu klären. Eine Mitarbeiterin der Einrichtung, die als Zeugin hätte zu diesen Themen befragt werden können, hatte sich auf ihr Zeugnisverweigerungsrecht berufen. 

Ferner verwies die Richterin auf die gesundheitlichen Folgen für die Angeklagte und darauf, dass der Vorfall bereits Jahre zurückliege. Die Einstellung des Verfahrens ist bis zur Zahlung des Geldbetrages an den Bruder des Opfers, der als Nebenkläger auftrat, vorläufig.

Quelle: dpa

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