Hessen Auch VGH erklärt Gießener Verkehrsversuch für rechtswidrig
30.08.2023, 12:31 Uhr
(Foto: Jan Woitas/dpa/Symbolbild)
Schwere Schlappe für die Stadt Gießen: Auch der Hessische Verwaltungsgerichtshof stuft den Verkehrsversuch als rechtswidrig ein. Die Planer müssen sich zudem herbe Kritik gefallen lassen.
Gießen (dpa/lhe) - Die Stadt Gießen ist mit ihrem umstrittenen Verkehrsversuch auch in zweiter Instanz vor Gericht abgeblitzt. Nach dem Gießener Verwaltungsgericht stufte auch der Hessische Verwaltungsgerichtshof in Kassel das Projekt als rechtswidrig ein und verwarf damit eine Beschwerde der Stadt, wie der VGH am Mittwoch mitteilte. Die Stadt zielte mit der Maßnahme darauf, mehr Platz und Sicherheit für Fahrradfahrer und Fußgänger zu schaffen. Außerdem sollte das Projekt Ausgangspunkt für die Weiterentwicklung der Innenstadt sein.
Der für Verkehrsrecht zuständige 2. Senat sparte in seiner Begründung nicht mit Kritik an der Stadt. Diese habe Mahnungen vor Gefahren für die Verkehrssicherheit "ignoriert" und sich auch mit behördlichen Stellungnahmen nicht ausreichend auseinandergesetzt. Der Gießener Bürgermeister Alexander Wright (Grüne) wollte sich am Nachmittag in einem Pressegespräch dazu äußern.
Geplant war, dass Autos in der mittelhessischen Stadt künftig nur noch die äußeren Fahrspuren des Anlagenrings um die Innenstadt in Einbahnrichtung nutzen können. Die bisherigen Innenspuren sollten dem Fahrrad- und Busverkehr vorbehalten sein.
In der Begründung erklärte der VGH, die Anordnung eines Verkehrsversuchs erfordere laut Straßenverkehrsverordnung "die Feststellung einer Gefahr für die Sicherheit oder Ordnung des Straßenverkehrs" sowie besondere Umstände, die den Versuch "zwingend erforderlich machen". Die Stadt habe beides nicht plausibel dargelegt. Mit Stellungnahmen des Polizeipräsidiums Mittelhessen sowie des Regierungspräsidiums Gießen habe sich die Stadt zudem nicht ausreichend auseinandergesetzt. Die Behörden hätten "erhebliche Zweifel" an Rechtmäßigkeit und Sinn des Versuchs geäußert. Vor allem habe es Befürchtungen gegeben, dass durch die geplante Mitbenutzung der Fahrradstraße durch Busse neue Gefahren für die Verkehrssicherheit drohen. Diese seien "nicht ausgeräumt, sondern ignoriert" worden, hieß es vom VGH.
Außerdem seien Alternativen wie eine geänderte Radverkehrsführung durch die Innenstadt nicht ausreichend geprüft worden. Da nur auf einzelnen Abschnitten des Gießener Anlagenrings erhöhte Unfallgefahren für Radfahrer bestünden, sei auch nicht erkennbar, weshalb der gesamte Anlagenrings in den Versuch einbezogen werden sollte.
Das Gießener Verwaltungsgericht hatte zuvor dem Eilantrag zweier Einwohner stattgegeben, die sich gegen die Neuregelung des Verkehrs wehrten. Dagegen hatte die Stadt Beschwerde vor dem VGH eingelegt und erklärt, die Vorarbeiten für das Projekt liefen weiter, auch weil man Chancen sehe, vor dem VGH Erfolg zu haben. Eigentlich hätten die Arbeiten demnächst abgeschlossen werden und der Verkehrsversuch Mitte bis Ende September offiziell anlaufen sollen. Die Kosten des Projekts waren mit rund 1,2 Millionen Euro beziffert worden.
Quelle: dpa