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Thüringen Das Eichhörnchen, der unsichtbare Patient

Experten zufolge sind die Eichhörnchen-Bestände in Thüringen rückläufig - aufgrund fehlender Untersuchungen kann jedoch allenfalls geschätzt werden, wie ernst die Lage wirklich ist.

Erfurt/Jena/ Ranis (dpa/th) - Experten sehen die Entwicklung der Eichhörnchen-Bestände im Freistaat mit Sorge. "In den vergangenen Jahrzehnten sind die Bestände vielerorts spürbar zurückgegangen", fasst Silvio Anders, Naturschutzreferent beim Landesjagdverband Thüringen, zusammen. Trotz regional unterschiedlicher Entwicklung bleibe der Abwärtstrend vielerorts deutlich erkennbar. Eine Einschätzung, die auch von den Naturschutzverbänden BUND und Nabu, dem Thüringer Landesamt für Umwelt, Bergbau und Naturschutz (TLUBN), der Landesforstanstalt Thüringenforst und der Arbeitsgemeinschaft Artenschutz in Thüringen geteilt wird.

Genaue Zahlen liegen keiner der genannten Stellen vor. "Das naturschutzfachliche Monitoring fokussiert sich schlichtweg auf andere Arten", resümiert Jürgen Boddenberg von Thüringenforst. Eichhörnchen würden in der aktuellen Roten Liste unter "Gefährdung unbekannten Ausmaßes" geführt. Das bedeute, dass einzelne Untersuchungen zwar eine Gefährdung erkennen ließen, die vorliegenden Informationen für eine exakte Zuordnung aber nicht ausreichten, so ein Sprecher des TLUBN. 

Aktuell lägen zwar für den Saale-Orla-Kreis besonders viele Meldungen vor, das liege aber lediglich am Engagement eines einzigen Melders. Genaue Studien seien dringend nötig, findet Martin Görner von der Arbeitsgemeinschaft Artenschutz: "Wir bräuchten einen Aufruf an alle zuständigen Stellen, sich näher mit dem Eichhörnchen zu beschäftigen."

Warum geht es Eichhörnchen schlecht?

Die Gründe, warum es dem "Waldakrobat" schlecht geht, sind vielfältig. Die meisten Experten sehen vor allem den Verlust und die Zerschneidung der Lebensräume sowie die intensive Forstwirtschaft als einen wichtigen Teil des Problems. Auch die zunehmende Wasserknappheit und der Straßenverkehr setzten den Tieren zu. Natürliche Prädatoren wie Baummarder, Habicht und Eulen hätten ebenfalls einen Anteil - aber auch Hauskatzen, die Jagd auf Eichhörnchen machten. Der Nabu führt positive Bestandsentwicklungen in Süddeutschland auf hohe Fuchszahlen zurück, die dort die Marderbestände reduzierten.

Stabile Vorkommen finden sich dem Jagdverband zufolge vor allem im Thüringer Wald, im Hainich und in den waldreichen Regionen des Harzvorlandes. Aber auch städtische Parks seien wichtige Rückzugsorte, was jedoch nicht unproblematisch sei. So könne die räumliche Isolation dieser Lebensräume, die Populationen voneinander abschneide, langfristig zu einer genetischen Verarmung führen. 

Zudem führe die häufige Sichtbarkeit in Parks auch zu dem vermutlich trügerischen Eindruck, dass es den Beständen noch deutlich besser gehe, als das tatsächlich der Fall sei, ergänzt Anita Giermann vom BUND. Es sei durchaus wahrscheinlich, dass die Vorkommen im Wald deutlich geringer seien als bisher angenommen - ein Effekt, der unter anderem auch den Igel beträfe.

Vergessene Nüsse fördern Waldverjüngung

Bestandsaufnahmen seien daher ebenso wichtig wie Schutzmaßnahmen, so die Experten. "Um die Eichhörnchen-Bestände zu sichern, braucht es vor allem zwei Dinge: naturnahe Wälder und bessere Vernetzung", so der Sprecher des Jagdverbands. Artenreiche Mischwälder seien ebenso wichtig wie Grünbrücken, Hecken oder Baumreihen, um eine geeignete Lebensgrundlage zu bieten und den Austausch zwischen den Populationen zu ermöglichen. Ebenfalls zentral sei die Umweltbildung, um die Bedeutung des Eichhörnchens für das Ökosystem Wald zu verdeutlichen - so seien in Wintervorräten vergessene Nüsse und Samen ein wichtiger Beitrag zur Waldverjüngung.

Das Grauhörnchen, das in Großbritannien heimische Arten verdrängt, spielt den Experten zufolge übrigens in Thüringen keine Rolle, bisher gebe es keine Nachweise. Allerdings sorgten natürliche Mutationen gerade bei Laien häufig für Verwechslungen: Das heimische Europäische Eichhörnchen gebe es in zahlreichen Farbabstufungen - vom bekannten Rotbraun über Dunkelbraun bis hin zu Schwarz. Letztere seien besonders häufig in Fichtenwäldern zu finden.

Quelle: dpa

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