Surfen in der zweiten Klasse Wie zuverlässig ist das Bahn-WLan?
20.02.2017, 15:24 Uhr
Das WLan ist auf beliebig vielen Endgeräten verfügbar.
(Foto: imago/Klaus Martin Höfer)
Mobilfunknetze in der Bahn sind mitunter eine wacklige Angelegenheit. Wie gut, dass es jetzt auch in der zweiten Klasse kostenloses WLan gibt. Besteht es den Praxistest?
WLan im ICE war bislang den Fahrgästen erster Klasse vorbehalten. Seit 1. Januar heißt es bei der Bahn: kostenloses Internet für alle. 100 Millionen Euro hat die Bahn in die neue Technik investiert. Sie bündelt die Kapazitäten aller verfügbaren Mobilfunknetze an der Strecke und soll so einen schnellen und stabilen Internetzugang ermöglichen. Die Stiftung Warentest hat jetzt in einem Schnelltest geprüft, wie gut das funktioniert.
Anders als in der ersten Klasse ist das WLan in der zweiten Klasse eingeschränkt: Wer 200 Megabyte Datenvolumen verbraucht hat, surft mit gedrosselter Geschwindigkeit weiter. Künftig soll man dann auch kostenpflichtig weiteres Volumen hinzubuchen können. Man kennt das von den Volumentarifen der Mobilfunkanbieter. Im Vergleich dazu ist man bei der Bahn aber auch nach Überschreitung des Limits schneller unterwegs, die Tester ermittelten einen Schnitt von 600 Kilobit pro Sekunde. Surfen und Mailverkehr ist demnach auch jenseits der 200 Megabyte problemlos möglich, Videostreaming wird allerdings kritisch.
Mit Streaming wirbt die Bahn ohnehin nur in der ersten Klasse, doch auch in der zweiten sind Filmegucken und Musikhören nicht ausgeschlossen, so die Erfahrung der Tester. Auf der Strecke zwischen Berlin und Frankfurt am Main waren Datenraten bis zu 2,5 Megabit pro Sekunde drin. Problem: Für einen kompletten Film reicht das Volumen von 200 Megabyte nicht aus. Zudem könnte der Filmgenuss zur Geduldsprobe werden, denn das Surftempo war bei den Messungen nicht zuverlässig. Im Schnitt lag die ungedrosselte Datenrate bei 1000 Kilobit pro Sekunde, im schlechtesten Fall konnte aber auch gar keine Verbindung aufgebaut werden.
Viele Nutzer machen langsam
Das liegt zum einen an den Mobilfunknetzen an der Strecke, die nicht überall gleich stark sind. Zum anderen an den Mitnutzern. Je mehr Reisende sich ins WLan einloggen, desto weniger Bandbreite steht dem Einzelnen zur Verfügung. Im vollbesetzten ICE läuft das Surfen also wahrscheinlich etwas zäher.
Reisende, die das Angebot nutzen wollen, verbinden sich mit dem Netzwerk "WIFIonICE". Danach müssen sie noch den Browser öffnen und sich anmelden. Dabei akzeptieren sie die Nutzungsbedingungen der schwedischen Firma Icomera, die schon mehrere Bahnunternehmen in Europa mit WLan ausgerüstet hat. In den AGB stießen die Warentester auf Ungereimtheiten. So behält sich Icomera vor, in der zweiten Klasse Gebühren zu erheben, außerdem werde das WLan nur in "ausgewählten Zügen" angeboten. Für die Praxis haben diese Formulierungen aber keine Bedeutung: Das WLan ist tatsächlich kostenlos und es steht auch in allen ICE zur Verfügung. Einzige Ausnahme: eine ICE-Generation, die in Dänemark eingesetzt und im Laufe des Jahres außer Betrieb genommen wird.
Abgesehen von den juristischen Mängeln fällt das Urteil der Stiftung Warentest wohlwollend aus: Das kostenlose WLan sei "durchaus brauchbar" heißt es, selbst wenn das Datenvolumen verbraucht sei. Wer empfindliche Daten austauschen will, sollte das aber nicht unbedingt im offenen Netzwerk der zweiten Klasse erledigen. Eine sichere VPN-Anbindung ist nur in der ersten Klasse verfügbar.
Quelle: ntv.de, ino